Für seine Forschung und den jahrzehntelangen Einsatz im Kampf gegen die Moor-Entwässerung hat Prof. Dr. Dr. Hans Joosten in diesem Jahr den Deutschen Umweltpreis, einen der höchstdotierten in ganz Europa, erhalten. Der 66-jährige Niederländer, der die Auszeichnung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gemeinsam mit der Ökologin Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, verliehen bekam, ist Professor für Moorkunde und Paläoökologie an der Universität Greifswald. Er gilt als einer der ersten, der die Bedeutung von Mooren für den Klimaschutz erkannt und in der Öffentlichkeit bekannt gemacht hat.

Sie sind Biologe und Professor für Moorkunde und sprechen neun Sprachen. In welcher hört sich das Wort Moor am schönsten für Sie an?

Neun Sprachen sprechen ist nicht ganz richtig. Ich habe zehn Sprachen gelernt, aber manche habe ich schon wieder vergessen.
Neu-Griechisch zum Beispiel, habe ich einmal ziemlich gut beherrscht, aber schon 40 Jahre nicht mehr gesprochen. Aber das Wort Moor – im Schottischen Muir – klingt für mich am schönsten.

Sie wurden für Ihre vorbildlichen Leistungen zum Schutz und Erhalt der Umwelt nun mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Es ist ein sehr hoch angesehener Preis, weil zunächst einmal sehr viel Geld damit verbunden ist. Das macht ihn auch besonders.
Weil der Deutsche Umweltpreis Preis so gut dotiert ist, werden viele Menschen dafür vorgeschlagen. In diesem Jahr waren es 94. Wenn man dann also am Ende ausgewählt wird, ist es schon auch eine hohe Auszeichnung für eine persönliche Leistung. Der größte Gewinn neben dem Preisgeld ist sicherlich, dass das Thema Moore viel mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Ihre langjährige wissenschaftliche Arbeit wurde in der Laudatio der Preisverleihung als „höchst wertvoll“ für den Klimaschutz bezeichnet. Die Moore seien „unverzichtbare Verbündete“ im Kampf gegen die Klimakrise. Weltweit ist bereits etwa ein Fünftel der Moore entwässert. Und in Deutschland sind es sogar schon nahezu 95 Prozent. Es genügt sicherlich nicht, die Entwicklung aufzuhalten, sie müsste umgekehrt werden. Aber ist das realisierbar und wenn ja, wie?

Es gibt bei uns in Mecklenburg-Vorpommern ganze Spargelfelder an Windkraftanlagen. Aber die sparen im Jahr gerade einmal zwei Millionen Tonnen CO2 ein, während die entwässerten Moore im Bundesland das Dreifache ausdünsten. Entwässerte Moore sind wahre CO2-Schleudern. In Deutschland sind sie für 6,7 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Das ist mehr als der Flugverkehr verursacht. Solange man dieses Loch nicht stopft, drehen die Windmühlen und wachsen die Wälder für die Katz. Wir müssen die noch vorhandenen Moore schützen und die entwässerten wieder vernässen, sonst schaffen wir es nicht die Klimakrise zu bewältigen. Und wenn man die Moore doch landwirtschaftlich nutzen will, dann muss man sie halt nass nutzen. Denn ansonsten bleiben sie Treibhausgas-Quellen.

Sie haben in über 600 Publikationen Ihren Beitrag dazu geleistet, dass die Zusammenhänge zwischen Klimaschutz und funktionierenden Moore belegbar und bekannt geworden sind. Zuletzt waren Sie auf der Klimakonferenz in Glasgow: Mit welchen Erkenntnissen sind Sie von dort zurückgekehrt?

Ich besuche die Klimakonferenzen schon seit langer Zeit. Ich war 2006 das erste Mal dabei. Für Weißrussland habe ich sieben Jahre als „Verhandler“ gearbeitet. Das heißt, ich kenne die Prozesse einigermaßen. Und auch wenn ich mich anfangs sehr darüber geärgert habe, wie langsam alles geht, habe ich gelernt, diese Prozesse zu schätzen. Denn man schafft es dort immer wieder, sehr schwierige Probleme anzugehen und Entscheidungen einstimmig zu treffen. Das Prinzip der Klimakonferenz ist ja die Einstimmigkeit. Es kann keine Entscheidung getroffen werden, wenn auch nur einer quertreibt. Man muss sich vorstellen, dass man dieses Ziel erreichen muss, obwohl Länder miteinander am Tisch sitzen, die gleichzeitig Krieg gegeneinander führen. In der aktuellen Corona-Krise sieht man wie schwierig es ist Entscheidungen zu treffen, womit alle Menschen einverstanden sind. Das bekommt man nicht hin.

Mit Ihren wissenschaftlichen Veröffentlichungen haben Sie sich nicht nur Freunde gemacht. Mit der Torfindustrie sind Sie angeeckt und haben mitunter Drohungen erhalten…

So etwas geschieht mal. Ich bin kein Diplomat, ich schreibe und rede gern Klartext. Und ich fürchte den Konflikt nicht. Ich habe 1995 einen Aufsatz geschrieben als Schweden und Finnland gerade in die EU gekommen sind. Da haben sie versucht, Torf als erneuerbaren Rohstoff anerkennen zu lassen, damit sie keine fossile Brennstoff-Steuer zahlen müssten. Es war unglaublich, mit welchen falschen Argumenten sie das versucht haben. Die habe ich in meinem Aufsatz widerlegt. Das hat nicht allen gefallen. Finnland wollte mich sogar vors Gericht bringen. Und die Bundesanstalt für Rohstoffe hat mir angedroht, dass – wenn ich so weiter mache – in Deutschland niemals eine Professur bekommen würde. Aber all das hat mich nicht abgehalten, weiterzumachen.

Hat Sie etwas besonders inspiriert? Und überhaupt: Was macht Ihnen Hoffnung, dass die ausgegebenen Klimaziele – also eine Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens zwei Grad und möglichst 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter – erreichbar sind?

In Glasgow wurde das Ziel, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, bestätigt. Zum Glück, denn der Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad ist immens. Die Zahl von Katastrophen nähme ab 1,5 Grad sehr stark zu. Es war wichtig zu sehen, dass das Bestreben nach wie vor mit Ernsthaftigkeit verfolgt wird. Auch, dass man aus der Kohle aussteigen will, hat eine weitreichende Bedeutung. Denn da hängen große Ökonomien daran, die mit Kohle ihren Strom produzieren. Gerade auf sehr arme Länder wie zum Beispiel Indien kommt da eine enorme Anstrengung zu. Das Ziel von 1,5 Grad zu erreichen, ist technisch ohne Zweifel möglich. Aber es sind alles politische Prozesse, bei denen sehr viele Interessen und Fragen über Gerechtigkeit mitspielen. Corona zeigt aber, dass man Maßnahmen ergreifen kann, die vorher undenkbar waren. Ich persönlich denke niemals darüber nach, ob etwas möglich ist. Es geht nicht darum, ob etwas möglich, sondern ob es notwendig ist. Und es ist notwendig.

 Prof. Dr. Dr. Hans Joosten, geboren am 15. März 1955 in Liessel, Niederlande ist Biologe und Professor für Moorkunde und Umweltaktivist.

Lesen Sie jetzt im zweiten Teil des Interviews, wie sich der Biologe und Professor für Moorkunde für die Wiedervernässung der in Deutschland bereits zu 95 Prozent trockengelegten Moore einsetzt.