Im hohen Norden Deutschlands treibt das Thema Mobilität von morgen die Hamburger Hochbahn um. Der Verkehrsbetrieb setzt bei den alternativ angetriebenen Fahrzeugen derzeit vorwiegend auf Elektrobusse, hat aber auch die Anschaffung von bis zu 50 Bussen mit Brennstoffzellen ausgeschrieben. Damit rückt der Energieträger Wasserstoff weiter ins Zentrum – denn Brennstoffzellen erzeugen mit Wasserstoff Antriebsstrom. „Damit sind wir flexibler und können eine höhere Reichweite erzielen“, begründet Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum die Zweigleisigkeit von Batterie und Brennstoffzelle in einem Interview. Und schon ist er mitten in der Diskussion um die beste Antriebstechnologie der Zukunft. Wasserstoff dürfte dabei eine gewichtige Rolle spielen. Nicht zuletzt, weil seine Einsatzmöglichkeiten weit über den Verkehrssektor hinausgehen.

Erneuerbare Energien und Elektrolyse

Zentraler Prozess bei der Wasserstoffproduktion ist die Elektrolyse. Dabei wird Wasser unter anderem mit Hilfe von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Das Verfahren ist ausgereift. Sogenannter „grüner Wasserstoff“ ist der, bei dem der nötige Strom für die Elektrolyse aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.

Im Verkehr etwa fungiert die Brennstoffzelle als Energieumwandler und macht aus Wasserstoff und Sauerstoff wieder Strom für einen nachgeschalteten Elektromotor. Großes Potenzial sieht auch die energieintensive Industrie. Jüngst verkündete zum Beispiel der Stahlkonzern Salzgitter AG, mit Partnerunternehmen „grünen Wasserstoff“ für eine CO2-arme Produktion mit Ökostrom aus Windkraft zu gewinnen. Sieben Windräder auf dem Gelände speisen ihre Kraft in zwei Elektrolyse-Einheiten ein. Wasserstoff ersetzt dann mehr und mehr die Kokskohle bei der Herstellung von Stahl.

Bei der Salzgitter AG soll Wasserstoff die Kokskohle bei der Herstellung von Stahl ersetzen. | Foto: Picture Alliance / DPA

Nationale Wasserstoffstrategie

Solche unternehmerischen Initiativen werden flankiert von milliardenschweren Förderungen für Forschung, Entwicklung und Einsatz durch die Politik. Die Bundesregierung rief 2020 die Nationale Wasserstoffstrategie aus – Deutschland soll langfristig die „Weltmarktführerschaft bei Wasserstofftechnologien“ erlangen. Auch Bundesländer wie zum Beispiel Baden-Württemberg zeigen sich spendabel: Das Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gab im März dieses Jahres, noch vor der Landtagswahl, weitere 26 Millionen Euro für Projekte in der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie frei.

Wasser in den Wein

Warum so viele Akteure auf das Gas setzen, ist leicht erklärt: Es kann mit einem erprobten Verfahren mit Hilfe von erneuerbaren Quellen gewonnen werden und verursacht bei der Nutzung keine schädlichen Emissionen, das Abfallprodukt ist Wasserdampf beziehungsweise Wasser. Die Tücken liegen im Detail – sie drücken die positive Bilanz. So muss Wasserstoff für die Lagerung und den Transport verdichtet oder verflüssigt werden. Während ersteres insbesondere hohe Anforderungen an die Tanks stellt, kostet letzteres zusätzlich Energie: Wasserstoff verflüssigt sich erst bei minus 253 Grad Celsius.

Kritiker sehen darum insbesondere im Verkehr wenig Sinn darin, Strom erst in Wasserstoff und dann in der Brennstoffzelle wieder in Strom umzuwandeln. Besser wäre es, den Strom direkt zu benutzen – ein Plädoyer für E-Autos. Da hält Hochbahn-Sprecher Kreienbaum zum jetzigen Zeitpunkt noch dagegen: Die Elektrobusse der Hamburger Hochbahn schaffen bislang nur rund 200 Kilometer Reichweite, zu wenig für einen normalen Tourenumlauf. Die Wasserstofftechnologie soll die höheren Reichweiten ermöglichen und könnte auch in den Batteriebussen als „Range Extender“ dienen.

Herausforderung Tanken

Während große Unternehmen dafür eine eigene Infrastruktur aufbauen können, ist für die breite Masse ein flächendeckendes Tankstellennetz noch Zukunftsmusik. Laut Online-Portal Statista lag die Zahl der Wasserstofftankstellen in Deutschland im Januar 2020 bei 87 – für eine flächendeckende Versorgung sind nach Ansicht von Experten rund 1000 nötig. Auch die Polizei in Osnabrück musste das für ihren mit Wasserstoff angetriebenen Streifenwagen erfahren: Weil die einzige bei Osnabrück verfügbare Tankstelle für Wasserstoff ausfiel, habe der Wagen über Wochen hinweg nicht eingesetzt werden können, hieß es.

Das H₂-Tankstellennetz ist noch ausbaufähig. | Foto: Picture Alliance / DPA

So ist – auch übergeordnet – der Weg für die Wasserstofftechnologie für vielfältige Einsatzmöglichkeiten in Industrie, Verkehr oder dem Wärmesektor zwar schon geebnet. Doch es fehlen Marktreife und Infrastruktur. Die Fraunhofer Gesellschaft für anwendungsorientierte Forschung fordert für die Umsetzung der Energiewende darum auch, die Fertigung von Brennstoffzellen und Elektrolyseuren schnellstens zu automatisieren. In diversen Forschungsprojekten arbeitet sie daran mit. Für eine erfolgreiche Energiewende muss die Zeit der Pilotprojekte bald vorbei sein.