Wenn gleich die Milieustudie just im schwäbisch-sparsamen Stuttgart spielte und an Klischees wie Endlos-Debatten im Sitzkreis und Dauerdiskussionen um energiesparende und ökologische Ansätze in der „Wohngruppe Oase“ nicht gespart wurde: Das Vorhaben, als Mitglied einer Baugemeinschaft den Traum von den eigenen vier Wänden zu realisieren, ist längst nicht mehr neu. Es finden sich immer häufiger Gruppen zusammen, die ihr Interesse bündeln. Der größte Vorteil: Gemeinsam stehen größere finanzielle Mittel zur Verfügung. Die Baukosten, die sonst jeder als einzelner Bauherr tragen müsste, werden durch viele Parteien geteilt. Und man kann auf die Gestaltung großen Einfluss nehmen.

Die berühmte Doppelhaushälfte zählt im Übrigen nicht zu dieser Idee. Wo es genügte, dass sich zwei Familien zu einem Bauherren vereinen, ist von einer Baugemeinschaft erst dann die Rede, wenn mindestens drei Parteien ein Hausprojekt in Angriff nehmen. Darin nach Fertigstellung auch selbst zu wohnen, ist eine weitere Voraussetzung.

Geld gespart, aber Nerven gekostet?

Von der Idee über den Bau bis zum Einzug sind viele Entscheidungen miteinander abzustimmen. Kompromissbereitschaft, aber auch Durchsetzungsvermögen und ein langer Atem sind die Tugenden, die bei der Realisierung am meisten gefragt sind. Denn: Harmonie erleichtert die Umsetzung. Fehlt sie, hat das Gemeinschaftsprojekt zwar Geld eingespart, aber auch viele Nerven gekostet.

Baugemeinschaften organisieren sich meist in Städten, in denen der Wohnraum bereits stark verdichtet und dadurch teuer geworden ist. Im klassischen Fall finden sich Bauwillige über den Freundeskreis zusammen. Das ist der vermeintlich sicherste Weg, über die Charaktereigenschaften, Lebensgewohnheiten und Visionen der Mitbauer_innen Bescheid zu wissen. Schließlich teilt man sich mit ihnen womöglich auch Gemeinschaftsräume. Auch Internetplattformen oder Agenturen bieten ihre Dienste bei der Suche nach Baugemeinschaften an. Ebenso bündeln Messen oder kommunale Wohnprojekttage Angebot und Nachfrage.

Kommunen unterstützen die Idee

Einen passenden Bauplatz zu finden, stellt meist die größte Hürde dar. Bei der Kommune oder in der Stadt, in der das Traumhaus entstehen soll, lohnt sich durchaus eine Anfrage: Gerade in Entwicklungsgebieten werden gerne bis zu 20 Prozent der angebotenen Fläche explizit für Baugemeinschaften reserviert und das unter Umständen noch zu einem günstigeren Preis. Die Idee dahinter: Den Wohnraum auch für Mittelschichtsfamilien erschwinglich zu machen.

Danach wartet die umfangreiche Planungsphase: Welche Gedankenspiele sind die vielversprechendsten bei der Gestaltung des Hauses? Welche Energiestandards sinnvoll? Welche Materialien werden verwendet? Wie großzügig wird gebaut? Wer entscheidet und wer setzt sich im Zweifel mit seiner Meinung durch? Um den gemeinschaftlichen Konsens nicht auf Dauer zu strapazieren, kann es hilfreich sei, die Planung von Beginn an in externe Hände zu geben und beispielsweise einem_r unabhängigen Projektkoordinator_in anzuvertrauen. Oft übernehmen auch Architekt_innen gleich diesen Part, bündeln Ideen, prüfen sie nach Rücksprache mit den Eigentümer_innen auf Realisierbarkeit und begleiten durch die Bauphase.

Eine Baugemeinschaft fordert enge Zusammenarbeit und Kompromisse. I Foto: krakenimages / unsplash

Die Frage nach der Rechtsform

Ist man sich einig, mit wem man bauen und in Zukunft Tür an Tür wohnen möchte, steht dem Termin beim Notar nichts mehr im Weg. Die Rahmenbedingungen der Interessengemeinschaft müssen abgesteckt werden. Dabei ist auch die Frage nach der Rechtsform zu klären: Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist die am häufigsten gewählte Form. Ebenso in Frage kommen Eigentümergemeinschaften nach dem Wohneigentumsgesetz (WEG) oder die Genossenschaftliche Baugemeinschaft (eG).

Bei der Klärung der Rechtsform und vieler anderer Fragen verspricht beispielsweise der 2008 in Tübingen gegründete Bundesverband Baugemeinschaften e.V. unabhängige Hilfe. Der gemeinnützige Zusammenschluss von Fachleuten aus den Bereichen Architektur, Stadtentwicklung, Recht, Kultur und Bildung versteht sich als Beratungsforum, das seinen Wissenspool der Allgemeinheit kostenfrei zur Verfügung stellt.

Der Weg zur Selbstverwirklichung

Wer gemeinsam baut, bekommt mehr für weniger Geld. Es sind weder Maklergebühren noch Provisionen an den Bauträger zu entrichten. Außerdem lassen sich Steuern sparen: In der Regel wird lediglich Grunderwerbsteuer für das Grundstück fällig. Eine Steuer für die tatsächliche Wohnfläche entfällt. Auch abgesehen vom nüchternen Zahlenwerk bieten Baugemeinschaften unschätzbare Vorzüge: Das aktive Mitgestalten schafft Identifikation mit der neuen Umgebung. Und eine funktionierende Solidarität in einer noch dazu selbstgewählten Lebensform ist womöglich der letzte fehlende Baustein auf dem Weg zur Selbstverwirklichung.

Allerdings trägt das Risiko, dass beim Bau auch alles klappt und die Kosten nicht aus dem Ruder laufen, ebenfalls die Gemeinschaft. Auch den Stress sollte man sich nicht über den Kopf wachsen lassen, sonst kann es heftig knirschen im Gemeinschafts-Gebälk. Hängt der Haussegen dauerhaft schief, wohnt man plötzlich nicht mehr mit Freunden Tür an Tür. In eingangs erwähnter Tatort-Folge überdauerte der schwäbische Sitzkreis jedoch selbst heftigste Verdächtigungen und gegenseitig Schuldzuweisungen – obwohl der Täter tatsächlich aus den eigenen Reihen kam. Nur er musste ausziehen.