Liebe Cordula, die Omas for Future sind ja sehr jung. Euch gibt es erst seit dem Sommer 2019 – dem drittwärmsten übrigens seit Beginn der Aufzeichnung. Wie kam es zu der Gründung des Vereins?

Ja, das war schon ein besonderer Sommer! Fridays For Future hatte gerade so richtig Fahrt aufgenommen. Die politische Landschaft war von der Klimadiskussion sehr geprägt. Ich hab mich dazu mit meinem späteren Mitgründer Harry Lehmann unterhalten. Harry war Fachbereichsleiter im Umweltbundesamt und ist immer noch, obwohl er mittlerweile in Pension ist, für das Umweltbundesamt tätig. Meine Meinung war immer schon, dass die Jugend die Umweltpolitik richtig aufmischen muss. Nicht meine Generation, denn das allein wird nichts bewirken. Gleichzeitig bekam ich in meinem Umfeld immer wieder zu hören, dass man ja nichts tun könne. Es erschien mir so, als wenn die Menschen alle in einer Art Ohnmacht verhangen waren. Offensichtlich hatten zu viele das Gefühl, dass man nichts bewirken kann, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Aber dem stimme ich nicht zu. Jeder kann extrem viel tun. Darum hab ich gesagt, die „Fridays“ machen eine tolle Arbeit, die klagen die Politik an und gehen auf die Straße. Aber zusätzlich braucht es jetzt den Klimawandel von unten. Wir brauchen Aufklärung darüber, was die Menschen in ihrem Alltag tun können. Und da kommen wir ins Spiel.

Und warum seid ihr die „Omas“ for Future? Dein Mitgründer Harry Lehmann ist doch männlich. Fühlen sich die Opas nicht ausgeschlossen?

Bei einer der allerersten Kundgebungen von Fridays for Future hielt jemand ein Schild hoch. Darauf stand einfach nur „Omas for Future“. Ich hab leider keine Ahnung, wer die Dame war, aber der Begriff ist hängen geblieben. Als ich mit meiner Tochter darüber sprach, dass die Menschen mehr Informationen benötigen, damit wir alle zusammen den Klimawandel stoppen können, da sagte sie einfach: „Dann teilen wir das doch auf. Ich kümmere mich um die Angestellten und Eltern, und du übernimmst die Omas.“ Und dann hab ich spontan aus dem Gespräch heraus die Domain gekauft. Aber bei uns machen sehr viele Opas mit, so ist das nicht. Von unseren 35 Regionalgruppen werden einige von Opas geleitet. Trotzdem kann man eventuell argumentieren, dass unsere Grundhaltung eher weiblich ist. Wir sagen ja: „Lasst uns aus Liebe zum Leben und aus Liebe zu unseren Kindern handeln.“ Das ist etwas, was man traditionell eher Frauen zuspricht. Wie gut, dass sich viele Männer davon angesprochen fühlen. Sie sind wirklich herzlich eingeladen, sich bei uns zu engagieren.

Wie unterscheidet ihr euch denn von Fridays for Future und den Parents for Future?

Wir haben eine andere Botschaft, wir ergänzen die Forderungen und Arbeit der Fridays for Future und auch der Parents for Future. Die „Fridays“ ruckeln an der Politik. Sie fordern andere Gesetze. Aber wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger verstehen, was zu tun ist. Wenn man erst mal weiß, dass eine kurze Autofahrt von zehn Kilometern so viel CO2 hinterlässt, dass man davon fünf große Mülltonnen befüllen könnte, dann wächst die Zustimmung zu notwendigen politischen Forderungen, wie beispielsweise einer CO2-Steuer. Die Menschen wollen ja nicht absichtlich die Umwelt zerstören. Uns sind einfach jahrzehntelang die Vorteile des Konsums eingetrichtert worden. Nun müssen wir lernen, wieder im Einklang mit der Natur zu leben, und wie wir zurück in den natürlichen Kreislauf kommen. Wir setzen daher stärker auf Aufklärung als auf Lobbyismus.

Was waren bislang die erfolgreichsten Aktionen von Omas for Future?

Gleich zu Anfang hatten wir eine sehr wirkungsvolle Aktion: Wir haben in der Innenstadt von Leipzig Klimawunschzettel verteilt. Darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ihre Wünsche für das Klima aufgeschrieben. Dann haben wir die Zettel wieder eingesammelt und daraus zum Black Friday einen großen Tannenbaum ausgelegt. Die Wünsche haben wir anschließend dem sächsischen Umweltminister Wolfram Günther und Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer überreicht. Denn viele Menschen wünschen sich in der Stadt klimaschonend unterwegs sein. Da hat die Stadt Leipzig zum Beispiel noch ein hohes Entwicklungspotenzial. Momentan arbeiten wir daran, unser Klima-Quiz weiter zu verbreiten. In den 24 Fragen steckt enorm viel praktisches und greifbares Umweltwissen. Es gibt das Quiz in verschiedensten Formen, als Postkarte, Poster oder Podcast. Wir wecken damit die Neugierde der Menschen und informieren ganz konkret, wie jeder Einzelne die Umwelt entlasten kann. Das Quizformat ist genau das, was alle sozialen Träger, Städte und Kommunen verwenden könnten, um bei ihren Mitarbeiter_innen und Zielgruppen ein Umweltbewusstsein zu schaffen. Uns freut sehr, dass die Stadt Leipzig ab diesem Jahr unser Umweltquiz und unsere Botschaft, aus Liebe zu unseren Kindern das Klima zu retten, für ihre Kommunikation nutzen wird. Dazu wird es sogar Citylight-Plakate geben. Von solchen Umsetzungen wollen wir mehr. Das Quiz wäre auch ideal für Schulen.

In welchen Bereichen des Lebens lässt sich denn Klimaschutz recht leicht umsetzen?

Es gibt drei Dinge, die jeder ohne großen Aufwand tun kann: Der erste Schritt ist, auf Ökostrom umzusteigen. Damit meine ich natürlich richtigen grünen Strom, nicht eines dieser Greenwashing-Angebote. Bei der Auswahl helfen die Siegel „OK Power“ und „Grüner Strom“ weiter. Teurer ist Ökostrom heute auch nicht mehr, meist sogar günstiger. Der Wechsel lohnt sich, denn damit kann jeder Mensch 0,6 Tonnen CO2 jährlich einsparen. Dann sollte man bei Suchen im Internet ecosia.org statt Google & Co. verwenden. Die Suchmaschine nutzt den gesamten Unternehmensgewinn dafür, Bäume zu pflanzen. Würde Google das tun, müssten wir uns über das Klima nicht mehr unterhalten! Die dritte Maßnahme ist der Wechsel zu einer nachhaltigen Bank, damit das eigene Geld ab sofort in die richtige Richtung geht. Auch das bedeutet gar keinen Verzicht. Dann informieren wir verstärkt über die ökologischen Auswirkungen von Fast Fashion, Mobilität und Ernährung. Es gibt eine ganz einfache Erkenntnis: Wer gesund lebt, sich also viel bewegt und gut ernährt, macht damit automatisch die Umwelt gesund. Denn Aspekte wie ein reduzierter Fleischkonsum, Fahrrad statt Auto fahren, frische und regionale Bio-Küche statt verpackter Fertiggerichte, das schont die Umwelt und kommt der eigenen Gesundheit zu Gute. Das ist alles nur eine Frage der Gewöhnung, man muss dafür kaum etwas aufgeben.

Auf eurer Website steht: „Unser Ziel ist es ja, sich nicht nur innerhalb der Klima-Blase zu vernetzen, sondern ganz bewusst alle Bereiche der Gesellschaft zu integrieren.“ Schafft ihr das denn, alle zu erreichen?

Ja! Logisch! Wie erreichen nicht nur die 83 Millionen in Deutschland. Für 2023 planen wir, ganz Europa anzusprechen. In Österreich laufen schon sehr aufmerksamkeitsstarke Aktionen, die von Zeitungen und Kommunen begleitet werden. Das schaffen wir, indem wir die Welt von morgen in Worte und Bilder fassen. Wir zeigen auf, was wir alles Tolles tun können, unsere Energie komplett sauber zu produzieren zum Beispiel. Wir haben doch eigentlich schon alles erfunden, was wir brauchen. Mit dieser positiven Botschaft können wir die Menschen gut erreichen. Wir brauchen momentan einfach mehr Ressourcen. Es läuft zwar hervorragend, aber wir können das ehrenamtlich nicht mehr stemmen. Die Omas for Future sind halt nicht mehr 20… Wir haben darum Förderanträge gestellt, damit wir mit mehr Ressourcen noch mehr bewirken können.

Was machst du persönlich, um bei deinen Enkelkindern ein Umweltbewusstsein zu entwickeln?

Oh, da muss ich mich wirklich nicht einbringen. Meine erwachsenen Kinder sind großartige Vorbilder. Sie sind zwar alle als Unternehmerkinder aufgewachsen und haben durchaus im BMW-Cabrio tolle Reisen genossen. Diese Phase hat es in unserem Leben gegeben. Aber es hat sich irgendwann in eine andere Richtung bewegt. Meine Kinder leben heute so nachhaltig, dagegen bin ich ein schwarzes Schaf. Sie fahren nur mit dem Lastenrad, meine Enkel leben vegetarisch oder vegan und tragen Second Hand-Kleidung. Bücher werden in der Bücherei ausgeliehen und wenn es etwas Neues gibt, dann wirklich etwas Nachhaltiges mit einer langen Lebensdauer. Selbst zur Hochzeit gab es nur Gebrauchtes – im Lastenrad überreicht. Denen kann ich nichts mehr beibringen. Ohne meine Kinder hätte Omas for Future auch niemals so schnell wachsen können. Als ich das Projekt entwickelt habe, brauchte ich meine Rücklagen, um den Verein richtig nach vorne zu bringen. Das Geld war natürlich eigentlich als Erbe für meine Kinder geplant. Ich habe ihnen gesagt, dass ich das Geld lieber aktiv in ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder investieren möchte. Das haben alle meine Kinder voll mitgetragen. Ohne diese Entscheidung wäre der Verein nach nur anderthalb Jahren längst nicht da, wo er jetzt ist.

Über Cordula Weimann

Cordula Weimann, geb. 1959 am Niederrhein, ist nicht nur seit 40 Jahren Unternehmerin, sondern auch Mutter von drei Kindern und Oma. Sie arbeitete lange in der Sanierung denkmalgeschützter Gebäude, zuletzt im Bau ökologischer Energieeffizienz-Holz- und Holz-Lehmhäuser. Ihr Ziel war es stets, Menschen in den Wohnungen Heimat zu geben. Im Sommer 2019 gründete sie zusammen mit Prof. Dr. Harry Lehmann in Leipzig den gemeinnützigen Verein „Leben im Einklang mit der Natur e.V.“ , der sich vor allem mit den Omas for Future für die Klimawende von unten einsetzt.