Der Begriff der Nachhaltigkeit ist zwar heute in aller Munde, blickt aber auf eine lange Lebensgeschichte zurück. Erstmals geprägt wurde er im Jahr 1713, als Hans Carl von Carlowitz in seiner Sylvicultura oeconomica forderte, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden soll, wie durch Aufforstung wieder nachwachsen kann. Im mittelalterlichen Nürnberg aber entstand schon etwa 400 Jahre früher die Idee einer auf Zukunftsvorsorge beruhenden Waldnutzung – und wurde auch tatsächlich umgesetzt.

Eine Metropole mit großem Energiehunger

Im 13. und 14. Jahrhundert ist Nürnberg eine der gewerbereichsten und bedeutendsten Metropolen Europas, die von ihrer günstigen Lage an diversen Handelswegen profitiert. Doch es mangelte an Holz und Holzkohle, um Stadt und Wirtschaft zu versorgen. Weil nachhaltiges Wirtschaften noch gänzlich unbekannt war, entstanden durch Übernutzung und Rodung um die Stadt herum große Ödflächen, gegen die lange Zeit kein vernünftiger Ausweg gefunden wurde.

Erst der Nürnberger Ratsherr Peter Stromer hatte dann das richtige Näschen. Als einer der weltweit bedeutendsten Unternehmer der damaligen Zeit wollte er die dauerhafte Versorgung seiner Berg-, Hütten- und Hammerwerke sichern und begann sich mit der kontrollierten Aussaat von Bäumen zu beschäftigen. Nach zahlreichen Experimenten wurde er schließlich zum „Tannensäer“ – und zu einem heute weltweit anerkannten Urvater der nachhaltigen Forstwirtschaft.

Ein Unternehmer macht vor, wie es geht

Peter Stromer gelang der Durchbruch vor allem mit der Aussaat von Nadelholz-Samen. Dabei wurden erstmals überhaupt Samen von Kiefern, Tannen, Fichten und Laubhölzern gezielt ausgebracht und aufgezogen. Weil die Tannen- und Kiefernsaaten besonders erfolgreich waren, konzentrierte sich Stromer fortan auf diese Baumarten. Nach damaliger Weltanschauung war das eine Sensation, galten Nadelbäume doch als wertlos oder sogar als Teufelszeug.
So wurde der Nürnberger Reichswald zum ersten menschengemachten Forst der Welt, zum globalen Vorbild für nachhaltige Waldwirtschaft und trug entscheidend dazu bei, dass sich die Stadt als eines der führenden Wirtschaftszentren der Neuzeit behaupten konnte.

Der Urvater der nachhaltigen Forstwirtschaft: Peter Stromer (um 1315-1388), Rats- und Handelsherr in Nürnberg, erfand die Nadelholzsaat. | Foto: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

Der Klimawandel macht’s nötig: der Wald von morgen

In den Jahrhunderten nach Peter Stromer wurde die Waldsaat immer weiter verfeinert und neue – auch ortsfremde – Baumarten fanden ihren Weg in den Reichswald. Heute ist von den ursprünglich 30.000 Hektar nur noch ein Bruchteil übrig, seit 1979 immerhin als geschützter Bannwald. Der ursprüngliche Gedanke von der nachhaltigen Forstwirtschaft ist aber geblieben.

Denn jetzt ist es nicht mehr der Energiehunger der Metropole, sondern der Klimawandel, der ein Umdenken in der Forstwirtschaft erfordert. So wachsen heute unter den Kronen der Fichten und Kiefern im „Steckerleswald“ bereits die kommenden Baumgenerationen heran, die den Reichswald von Morgen prägen werden. Die Zusammensetzung ist deutlich diverser als früher, nun wachsen hier Kirschen, Douglasien, Ahorn und viele andere Baumarten, die besser für das Klima von morgen gerüstet sind.

Ein Multikulti-Wald als zukunftssichernde Maßnahme – das ist doch ein schöner Gedanke.