Herr Engelhardt, geht es Ihnen bei Ihrer aktuellen Veröffentlichung darum, der Klimadebatte, die zwischen depressiver Ratlosigkeit und halbherziger Aufbruchsstimmung mäandert, etwas eindeutig Positives entgegensetzen? Man kann es ja tatsächlich so interpretieren, wie eine Ihrer Klimaheld_innen: „Wir haben nichts zu verlieren, aber wir haben alles zu gewinnen“…

Das stimmt. Wenn man sich die Reden beim letzten Klimagipfel so anhört, dann ist da Rede vom Weltuntergang, von den letzten Minuten vor Zwölf und immer irgendwie auch davon, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Und ich finde das deshalb so schlimm, weil die natürliche Reaktion darauf oftmals ist: Dann können wir ja sowieso nichts mehr tun. Und diese Art von Klimadepression finde ich schrecklich. Mir ist es tatsächlich wichtig, dass man die Klimakrise als Herausforderung betrachtet. Denn wir können etwas tun, wir müssen sogar etwas tun. Und das Spannende ist, es gibt viele Menschen, die das machen. Die haben diese Depression überwunden. Und obwohl sie vielleicht denken, sie können wenig tun, tun sie das Wenige dann aber auch. Diese Menschen darzustellen und zu zeigen: die haben sich das getraut, das können wir doch alle auch – das war mein Anliegen.

Haben Sie den Buchtitel „Die Klimakämpfer“ gewählt, weil es kurz und knackig klingt oder weil Sie nichts beschönigen wollen?

Weil wir kämpferisch sein müssen. Und weil die Leute, die wir portraitiert haben, so unterschiedlich sie auch sind, tatsächlich alle eins gemeinsam haben: sie sind Kämpfernaturen. Und sie sind bereit, sich mit allem, was sie haben, dafür einzusetzen, dass die Welt nicht untergeht. Dieser kämpferische Spirit sollte sich im Titel wiederfinden. Denn kämpfen können wir alle für etwas, wenn es uns wichtig ist – und die Klimakrise sollte uns allen wichtig sein. 

Auf der anderen Seite vermeiden Sie den mahnenden Zeigefinger und setzen mit diesen Geschichten vielmehr auf Inspiration für Engagement im Umweltschutz. Ein Widerspruch? Oder der Tatsache geschuldet, dass man mit einer positiven Sogwirkung doch mehr erreicht als mit Druck?

Diese Menschen haben uns Autorinnen und Autoren fasziniert und sie sprechen für sich. Wir fanden sie in der Art, wie sie sich für den Klimaschutz einsetzen, so spannend, dass wir schon beim Interviewen und Schreiben das Gefühl hatten, ja warum mache ich das nicht eigentlich auch. Diese Inspirationskraft, die von ihnen ausging, war sehr besonders. Und das sind ja keine Profi-Klimaschützer, die haben nicht Klimaschutz studiert und danach eine Stelle als Oberklimaschützer angetreten. Das sind ganz unterschiedliche Menschen. Manche können nicht lesen oder schreiben, manche lehnen sich in ihrem Land gegen die Staatsgewalt auf. Es sind Leute dabei, die sich unter allerschwierigsten Umständen dazu entschieden haben, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Und wenn all diese Menschen das können, welche Ausrede haben wir dann eigentlich, es nicht zu tun?

Nach welchen Kriterien haben Sie die Episoden aus 25 Ländern ausgewählt?

Die Weltreporter sind ein Korrespondentennetzwerk mit fast 50 Reporterinnen und Reportern auf allen Kontinenten in der Welt. Wenn wir überlegen ein Buch zu machen, machen wir das deshalb, weil wir ein Thema, eine Auseinandersetzung oder eine Diskussion sehen, die global Bedeutung hat. Wenn das der Fall ist, dann fangen wir an, im Netzwerk darüber zu reden. Für das Buch „Die Klimakämpfer“ war der Anstoß, dass wir gemerkt haben, dass es auf der ganzen Welt Menschen gibt, die nicht nur abwarten, dass die Politik was tut, sondern selbst etwas aktiv gegen den Klimawandel unternehmen. Bei unseren Recherchen sind wir dann auf sehr viele inspirierende Persönlichkeiten gestoßen. Es gab ein überwältigendes Angebot an guten Geschichten, die wir erzählen können. Wir haben uns dann überlegt, wie bringen wir sie so zusammen, dass es ein organisches Buch wird, das zeigt, wie facettenreich der Kampf gegen die Klimakrise sein kann und auch schon ist.

Sie prägen im Buch den Begriff Klimaheld_innen und dass es sich bei ihnen um ganz normale Menschen handelt. Es gibt also für niemanden Ausreden, es ihnen nicht nachzumachen. Wie werde ich selbst denn konkret zum Klimaretter?

 Ich denke man wird konkret Klimaretterin oder Klimaretter, wenn man im Kleinen anfängt und dann versucht, so viel zu tun, wie man hinbekommt. Wir haben alle Porträtierten auch gefragt, was sie unseren Lesern raten würden. Da sagt zum Beispiel Felix Keller, ein Gletscherschützer aus der Schweiz: vor allem die Mutlosigkeit überwinden und die Klimakrise als Challenge verstehen. Marjan Minnesma, die für Konsumentenrecht eintritt und die staatliche Pflicht, das Klima zu schützen, vor dem obersten holländischen Gerichtshof erstritten hat, meint: Überlege dir deinen privaten Konsum gut. Kauf nur das, was du wirklich brauchst und versuche erst, ob du es gebraucht bekommen kannst. Das bedeutet, die Kreislaufwirtschaft zu unterstützen. Und wenn das nicht geht, kauf Dinge möglichst lokal. Es gibt viele kleine Entscheidungen, mit denen man den Klimakampf in den Alltag übersetzt.

Eine der vielen guten Nachrichten in Ihrem Buch: Wer handelt wird trotz Angst nicht trübsinnig – und Klimaschutz kann Spaß, Freude, ja sogar Erfüllung bringen

Ja, unbedingt. Aktiv selbst etwas zu tun, um eine dieser Krisen zu verhindern, hilft in jedem Fall. Vor allem, wenn man es nicht alleine macht. Davon hat mich ein junger Brite überzeugt, Larch Maxey. Er sagt, wir müssen auf die Straße gehen und gemeinsam Öffentlichkeit dafür schaffen, dass die Klimakrise nicht ein Problem ist unter vielen. Man sieht bei solchen Aktionen, dass man nicht alleine ist, da sind oft Tausende. Gemeinsam fühlt man sich stärker. Und das macht einen dann sicherlich auch fröhlicher und glücklicher.

Eine Botschaft scheint auch zu lauten: Man kann sich auch hauptberuflich zum Wohle der Umwelt engagieren und damit seinen Lebensunterhalt bestreiten – ein Aufruf vor allem für die nachkommenden Generationen?

Ich glaube, das ist eine Möglichkeit. Das Interessante in dem Buch finde ich ist, dass es so unterschiedliche Weisen gibt, auf die man sich für den Klimaschutz auch beruflich einsetzen kann. Ich muss nicht Biobauer werden, um mich für den Klimawandel einzusetzen, ich kann auch Banken grüner machen. Oder Transportunternehmen, oder Energieerzeuger. Das sind so vielfältige Bereiche und das zeigt: Der Kampf gegen den Klimawandel hat keine Sparte. Es ist vielmehr ein gesellschaftliches Querschnittsthema. Da werden sich alle Berufsgruppen drum kümmern müssen.

Bei den Recherchen für das Buch wurde darauf geachtet, klimafreundlich zu reisen. Die Reporter lebten schon an den Orten, aus denen sie berichtet haben. Das Buch wurde auf klimaneutralem Papier gedruckt. War es sehr kompliziert, alles im Vorfeld zu bedenken, um nicht den wertvollen Zugang zum Klimaschutz, den dieses Buch schafft, mit seinem eigenen Handeln zu konterkarieren?

Ich würde sagen, es war eher lehrreich. Denn wir haben das Thema dieses Buch ganz konkret auf unsere Arbeit angewendet, und nicht nur für dieses Buch. Es ist uns schon wichtig, dass die Klimabilanz bei den Artikeln eine Rolle spielt. Und tatsächlich nehmen wir für uns in Ansprach, so ökologisch wie möglich unsere Arbeit zu machen, um selbst etwas gegen die Klimakrise beizutragen. Aber wir behaupten nicht, dass wir alles perfekt gemacht haben. 

Wenn Sie sich etwas wünschen könnten, was ließe sich mit der Lektüre dieses Buches in jedem Fall beim Leser, bei der Leserin erreichen?

Was ich mir wirklich wünsche ist, dass Menschen, die das Buch lesen, einerseits fasziniert sind von diesen Leuten, die wir vorgestellt haben – andererseits diese Faszination dann aber auch nutzen, um sich zu überlegen: Was kann ich selbst tun? Und sie so diesen Kampf gegen den Klimawandel in das eigene Leben übersetzen. Denn es gibt nicht nur die 25 Klimakämpferinnen und Klimakämpfer in unserem Buch, sondern potenziell Millionen Klimakämpfer. Man muss den inneren Klimakämpfer nur rauslassen.

Foto: Caroline Wimmer

Marc Engelhardt, Jahrgang 1971, ist Autor und freier Auslandskorrespondent. Seit gut zwei Jahrzehnten berichtet er für den Deutschlandfunk sowie ARD Hörfunk und Fernsehen, zunächst aus Nairobi und inzwischen aus Genf.