Lebensmittelabfälle stellen in vielerlei Hinsicht ein Problem dar: Sie sorgen nicht nur für eine unsichere und ungleiche Versorgung mit Lebensmitteln, sondern verschlimmern Umweltverschmutzung und Klimawandel. Sie tragen außerdem dazu bei, dass Biodiversität verloren geht: Organische Abfälle, die auf Mülldeponien landen, produzieren nämlich Methan, das viel schlechter für die Erderwärmung ist als Kohlendioxid.
Im Laufe der Lebensmittelproduktion bis hin zum Verzehr entstehen an vielen Stellen Abfälle: Angefangen bei der Produktion und dem Transport, bis hin zum Handel und in den Privathaushalten. Es könnte daher erhebliche ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile haben, wenn wir auf allen Ebenen Lebensmittelabfälle vermeiden oder reduzieren.
Laut World Economic Forum wirft jeder Mensch durchschnittlich 74 kg Nahrungsmittel pro Jahr weg.
Die Vereinten Nationen haben das Ziel ausgerufen, bis 2030 die Lebensmittelabfälle weltweit um 50 Prozent zu reduzieren. Das kann nur funktionieren, wenn wir den gesamten Verbrauch von Lebensmitteln nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft ausrichten: Die Kreislaufwirtschaft (engl. Circular Economy, kurz CE) nimmt die Natur zum Vorbild. Das Ziel ist ein geschlossener Materialkreislauf, in dem es keine oder nur wenig Abfall gibt. Allgemein betrachtet gibt es dafür drei Ansatzpunkte:
- Ein effizienterer Einsatz von Ressourcen, insbesondere von nachhaltigen Materialien
- Eine längere Nutzung und Lebensdauer von Produkten
- Neben- und Abfallprodukte verwenden, um auch damit etwas Neues zu produzieren
Um stärker in eine Kreislaufwirtschaft zu kommen, hat die Lebensmittelbranche weltweit begonnen, fortschrittliche Rückverfolgbarkeits- und Vorhersagetechnologien einzusetzen. Sie setzt auf Lösungen, die mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) Abfälle besser erfassen und Betriebsabläufe skalieren.
Künstliche Intelligenz warnt vor Missernten
So können intelligente Systeme bereits im Lebensmittelanbau die Verschwendung von Saatgut oder den Verlust von Pflanzen reduzieren: Drohnen, RGB- und Hyperspektralkameras nehmen Bilder von den Feldern auf, die anschließend durch KI-Algorithmen analysiert werden. Die Systeme erkennen zuverlässig potenzielle Bedrohungen für das Wachstum und die Ernte, wie zum Beispiel Schädlinge oder Bewässerungsprobleme. Die Landwirt_innen erhalten so rechtzeitig eine Warnung und können gegensteuern.
Künstliche Intelligenz wird auch in der Gastronomie eingesetzt. Eine Erfolgsstory ist die der britischen IKEA-Restaurants: IKEA erfasst mit dem System Winnow alle Lebensmittelabfälle automatisch. Dadurch erhält das Küchenteam exakte Angaben, wie viel von welchem Nahrungsmittel weggeworfen wurde. Die einfache und genaue Dokumentation hilft den Restaurants dabei, den individuellen Lebensmittelverbrauch in jeder Filiale besser zu planen. Laut eigenen Angaben haben die britischen IKEA-Restaurants die Lebensmittelabfälle halbiert, seitdem sie Winnow eingeführt haben
Preis sinkt mit dem Verfallsdatum
Ähnliche Ergebnisse konnte die Software Wasteless erzielen. Sie setzt bereits im Handel an. Wasteless bewertet den Preis von Lebensmitteln im Supermarkt nach dem Verfallsdatum: Je näher das Datum rückt, desto stärker wird der Preisrabatt. Händler_innen können so dafür sorgen, dass Verbraucher_innen gezielt nach Produkten greifen, die bald verzehrt werden müssen. Gleichzeitig müssen die Supermärkte weniger wegwerfen, was ihre Rentabilität erhöht.
Das System funktioniert: In einem spanischen Supermarkt mussten nach Installation der Software nur noch halb so viele Produkte aussortiert werden. Die Technologie soll jede Woche Lebensmittel im Wert von rund einer Milliarde US-Dollar einsparen können
Barsch im Keller, Basilikum auf dem Dach
Einen ganz anderen, aber sehr effektiven Ansatz verfolgt die Aquaponik: Gemeint ist eine Methode, bei der Aquakultur (Fischzucht) und Hydroponik – also der Anbau von Gemüse ohne Erde – kombiniert werden. Damit ist die Methode enorm nachhaltig. Ein Leuchtturmprojekt ist ein REWE-Supermarkt in Wiesbaden-Erbenheim. In einer gläsernen Dachfarm wachsen dort Basilikumpflanzen, die rund 480 REWE-Märkte in Hessen und Rheinland-Pfalz mit Basilikum versorgen. Im Keller stehen große Fischbassins. Das Wasser dafür kommt unter anderem aus Zisternen, die das Regenwasser auffangen. Die hier gezüchteten Barsche werden ebenfalls frisch im Supermarkt verkauft.
Der Clou: Beide Zuchtsysteme sind in einem ressourcenschonenden und zusammenhängenden Kreislauf verbunden. Die Exkremente der Fische werden aus dem Wasser herausgefiltert und in biologischen Pflanzendünger für den Basilikum umgewandelt. Die Basilikumpflanzen stehen in den Gewächshäusern der Dachfarm auf sogenannten Ebbe-Flut-Tischen und werden mit dem „Fischwasser“ gegossen, erhalten dadurch ihre Nährstoffe und wachsen besonders gut.
Aquaponik kann auch im Kleinen betrieben werden und an vielen Orten die lokale Versorgung sichern. Viele Gemüsesorten lassen sich mit Aquaponik unkompliziert anbauen, darunter Gurken, Tomaten, Salat und Chili. Dabei verbraucht die Anbaumethode viel weniger Wasser und spart gleichzeitig Flächen ein. Die Grundwasserbelastung mit Nitrat entfällt, weil das Nitrat aus den Exkrementen als Dünger im Kreislauf bleibt. Die Pflanzen wandeln das von den Fischen ausgestoßene CO2 in Sauerstoff um. Dadurch ist Aquaponik nahezu emissionsfrei.
Auch wenn in vielen Ländern, wie beispielsweise Deutschland, bereits vergleichsweise viel recycelt wird, ist im Bereich der Abfallvermeidung und Produktionseffizienz noch viel Luft nach oben. Die Beispiele zeigen eindrücklich, dass viele Ideen und Innovationen bereits vorhanden sind. Sie müssen allerdings markttauglich gemacht und breit eingesetzt werden, dann wäre für alle Menschen genug Nahrung vorhanden – klimaschonend dazu. Bis dies erreicht ist, können wir alle etwas dazu beitragen, im Alltag weniger Lebensmittel zu verschwenden.
Dieser Artikel ist Teil der Serie „Nahrung der Zukunft“. Die weiteren Teile dieser Serie behandeln die Themen Zelluläre Landwirtschaft, Vertical Farming und neue Lebensmittel.
Den Artikel zum Thema Zelluläre Landwirtschaft finden Sie hier: Zelluläre Landwirtschaft: Burger aus der Petrischale – Bank & Umwelt (bankundumwelt.de)
Den Artikel zum Thema Vertical Farming können Sie hier lesen: Vertical Farming: Das Gute kommt von oben – Bank & Umwelt (bankundumwelt.de)
Mehr zum Thema neue Lebensmittel erfahren Sie hier: Was essen wir im Jahr 2050? – Bank & Umwelt (bankundumwelt.de)
Ja der Sloan ist sehr gut und ich verfolge ihn schon 40 Jahre lang.
Eine sehr gute und wichtige Information, die allerdings so schnell und wirkungsvoll wie möglich der gesamten Bevölkerung immer wieder vermittelt werden müßte! Wie, weiß ich zwar auch nicht, aber notwendig wäre es!
Mich würde die Haltung der Umweltbank zum Cradle-to-Cradle-Prinzip interessieren. Die Stadt Venlo macht es uns vor und Professor Braungart hat als Chemiker sogar chinesische Firmen beraten.
Hallo Angelika,
als Nachhaltige Bank begrüßen wir das Cradle-to-Cradle-Prinzip und unterstützen es aktiv. Dieses Konzept sieht vor, dass Produkte so gestaltet werden, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus vollständig wiederverwendet oder recycelt werden können, ohne dass Abfall entsteht. Dadurch wird die Ressourceneffizienz erhöht und die Umweltbelastung minimiert.
Wir sind davon überzeugt, dass das Cradle-to-Cradle-Prinzip ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschaft ist. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass Unternehmen, die sich diesem Konzept verschreiben, unterstützt und gefördert werden. Als Nachhaltige Bank möchten wir unseren Teil dazu beitragen, eine Welt zu schaffen, in der Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit Hand in Hand gehen.
Viele Grüße aus Nürnberg
Ist eine der größten Lebensmittelverschwendungen nicht, dass wir Nahrung an Tiere verfüttern, die dann nach einem Leben unter schlimmen Bedingungen von Menschen getötet und gegessen werden?