Auf der anderen Seite empfinden viele eigentlich grün denkende Menschen diese Hundertprozentigen als anstrengend und sind von deren Belehrungen, wütenden Facebook-Posts und der latenten Weltuntergangsstimmung einfach nur genervt. Kennt nicht jeder Verwandte, Freunde oder Kollegen, vor denen man sich am besten für seine Bäckertüte, seinen Thailand-Urlaub oder seinen Diesel-Kombi schämen soll?

Für mich zeigt dieser Zeigefinger-Reflex, dass gut gemeint nicht gut gemacht ist. (Umwelt)Politische Korrektheit verkehrt sich ins Gegenteil, wenn sie anstrengend und spießig wird. Sie löst ihr Gegenteil aus. Wenn man reflektiert, was das eigene Verhalten beeinflusst oder verändert, dann sind das immer positive Änderungsimpulse: Ich höre auf zu rauchen, weil ich gesund sein möchte. Ich treibe mehr Sport, weil ich fit sein möchte. Ich nehme ab, um mehr Kondition zu haben. Selbst dann, wenn ich selbst der Hauptprofiteur meiner Verhaltensänderung bin, ist es unfassbar schwer, es wirklich nachhaltig zu schaffen. Warum sollte ich mich also für etwas so abstraktes wie den Klimawandel verändern? Weil es der nervige Kollege von mir möchte? Yeah, right.

Wir können Verhalten nicht ändern, aber Anreize schaffen

Ich bin fest davon überzeugt, dass man dem Klimawandel mit Handlungsimpulsen begegnen muss, die sich direkt positiv auf das Individuum auswirken. Und zwar ohne Freiheiten zu nehmen. Die richtige Antwort auf den CO2-Ausstoß durch den Verkehr wird nicht weniger Verkehr sein! Weil das Grundbedürfnis nach Bewegungsfreiheit und individueller Mobilität nicht plötzlich verschwindet. Der Mensch ist Egoist und bleibt es auch. Eine nachhaltigere Gesellschaft entsteht nur, wenn das nachhaltige Leben attraktiver ist als das bisherige. Strom aus Erneuerbaren Energien muss günstiger werden als Kohlestrom. Bahn zu fahren muss im Vergleich zum Flugzeug nicht nur günstiger, sondern auch zuverlässiger, komfortabler und zeitlich mindestens vergleichbar sein. CO2-neutrale Fahrzeuge (ganz gleich welchen Antriebs) müssen günstiger, schneller, schöner und anziehender sein als herkömmliche. Nur dann wird das was.

Der Mensch als Individuum und als eine Gesellschaft an sich ist nicht intelligent und beweglich genug, um in absehbarer Zeit gemeinschaftlich das Verhalten zu verändern. Wir alle sind ein „Schwarm der Trägheit“. Also muss man uns „von außen“ in die richtige Richtung zwängen. Von außen heißt in diesem Fall durch Politik und Unternehmen. Leider stammen deren Protagonisten selbst aus unserer trägen Masse. Trotzdem: wir brauchen die führende Hand des Staats UND die bahnbrechenden Ideen der Wirtschaft. Unternehmer, die nachhaltige Produkte entwickeln, auf die eine relevante Masse an Menschen wirklich Lust hat. Politiker, die uns Regeln vorgeben, die uns von alleine in die richtige Richtung bewegen. Ob das ein Instrument wie die CO2-Steuer ist, müssen die viel zitierten Profis entscheiden. Ich hoffe nur, dass es am Ende nicht die trifft, die wenig Geld haben und damit häufig nachhaltiger leben als die Reicheren.

Viele kleine Schritte gehen einen weiten Weg

Welche Mechanismen auch geschaffen werden, am Ende gibt es zwei Möglichkeiten, uns Menschen zu steuern: über den Geldbeutel und unseren Status in der Gruppe. Kann Umweltschutz ein positiv besetztes Statussymbol sein? Ich hoffe es. Erst wenn wir anfangen, nachhaltiges Verhalten wertzuschätzen und uns gegenseitig positiv zu verstärken, werden wir Spaß daran finden. Wenn es kein Akt der Verbissenheit, sondern der Freude ist. Wir müssen aufhören mit der Öko-Besserwisserei, mit diesem Auf-die-Nerven-fallen. Weil es mehr Energie kostet als es freisetzt. Lasst uns lieber die kleinen Schritte loben, denn dann werden es mehr!

 

Hinweis: Dieser Kommentar spiegelt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wider. Die Mitarbeitenden der UmweltBank sind umweltbewusst und haben doch unterschiedliche Vorstellungen davon, was grün ist. Als lebendiges Unternehmen führen wir diesen Diskurs offen und veröffentlichen hier in unregelmäßigen Abständen persönliche Kommentare.