Es gibt zurzeit kein Thema, das die weltweiten Medien und den Alltag aller Menschen so sehr prägt wie die Coronakrise. Das Virus verbreitet sich in einem rasanten Tempo um die Welt und zwingt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zum Handeln, um möglichst viele Menschenleben zu retten. Neben der Corona-Pandemie besteht jedoch eine weitere Krise, die ebenfalls Menschenleben weltweit bedroht: der Klimawandel.

Corona als unmittelbare Krise

Die Welt stellt sich gerade zwei existenziellen Notlagen gleichzeitig. Die Corona- und die Klimakrise bedrohen auf unterschiedlichste Weise unser Leben und das soziale Miteinander. Es lohnt sich aber auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu blicken, um aus der aktuellen Krise für die Zukunft zu lernen.

Eines ist klar, beide Krisen gefährden Menschenleben. Zur Bewältigung werden in beiden Fällen Maßnahmen ergriffen. Der Unterschied in dem politischen Handeln liegt allerdings im Zeithorizont der Bedrohungslage: die eine ist unmittelbar, die andere mittelbar. Seit über vier Jahrzehnten setzen sich Umweltschützer für eine bessere Klimapolitik ein. Das Coronavirus ist erst seit vier Monaten unser Feind. Daher ist es bemerkenswert, wie schnell Politik und Wirtschaft auf die veränderten Umstände reagieren und sich die Gesellschaft angepasst hat. Dies liegt daran, dass uns SARS-CoV-2 unmittelbar bedroht. Wir konnten sehen, wie das Virus sich geografisch genähert hat, welche Einschränkungen europäische Partner hatten und wie es mitunter Bekannte traf. Beim Klimawandel ist es eine andere Situation. Wir sind eben meist nicht unmittelbar betroffen, sondern erfahren über die Medien von Naturkatastrophen in fernen Ländern. Der Impuls jetzt zu handeln ist daher bei vielen nicht sehr groß.

In der Coronakrise wurde sofort gehandelt und die Effekte wurden in wenigen Wochen deutlich. Die Ansteckungszahlen stabilisieren sich jetzt und die Krankenhäuser werden entlastet. Dies bedeutet nicht, dass die Gefahr durch SARS-CoV-2 vorbei ist, doch die positiven Auswirkungen der Maßnahmen zeigen sich schnell. Das Handeln in der Klimakrise erfordert hingegen einen längeren Atem. Es braucht mitunter Jahre, um den Effekt von umweltfreundlichen Maßnahmen zu messen und im Alltag des Einzelnen sind sie manchmal kaum zu erkennen. Ein Großteil der Klimapolitik dreht sich schließlich darum, Schlimmeres zu verhindern.

Wir müssen also darauf vertrauen, dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels wirken, auch wenn wir die Erfolge nicht unmittelbar sehen. In der Klimakrise muss daher den Klimatologen ein ebenso großes Vertrauen entgegengebracht werden wie den Virologen in der Coronakrise. Der lautstarken Forderung u. a. von Fridays for Future, dass Politiker auf Wissenschaftler hören sollen, wurde in der Coronakrise unaufgefordert Folge geleistet. Vielleicht ergibt sich dadurch auch ein Umdenken in der Klimapolitik.

Ist die Coronakrise gut für das Klima?

Durch die Bedrohung des neuen Sars-Virus wurden als wirksame Maßnahmen Kontaktbeschränkungen empfohlen und die Wirtschaft heruntergefahren. Mit diesem weltweiten „Shut Down“ liegt die Vermutung nahe, dass das Virus einen positiven Effekt auf das Klima hat. Schließlich wurde in großen Teilen die Produktion von Industriegütern eingestellt und Flieger blieben am Boden. Mitunter merken wir es auch in unserem Alltag: Es fahren weniger Autos und die Luft in den Städten ist angenehmer. Die Gewässer und der Himmel erscheinen vielen reiner. Und im Internet sind Bilder aus Indien zu sehen, die einen klaren Blick auf das Himalayagebirge preisgeben – angeblich gab es das seit 30 Jahren nicht mehr. Es erscheint fast so, als würden wir dem Klima eine Pause gönnen.

In der Tat ist es so, dass der weltweite Ausstoß an klimaschädlichen Emissionen zurückgeht. Genaue Zahlen lassen sich erst in ein paar Monaten nachreichen, aber Forscher rechnen damit, dass in Europa etwa 20 Prozent weniger Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wird als üblich. Für China zeigen die Untersuchungen, dass im Februar 2020 etwa 25 Prozent weniger CO2 ausgestoßen wurde als im Vorjahresmonat. Dies überschneidet sich mit Beobachtungen aus der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise 2008.

Aus der letzten globalen Krise lässt sich noch mehr ablesen. Zwar sank in den Jahren 2008 und 2009 der globale CO2-Ausstoß um 1,4 Prozent, doch stieg er daraufhin um 5,9 Prozent an. Dieser Nachholeffekt wurde dadurch erklärt, dass Regierungen starke Konjunkturprogramme aufgelegt haben, um die Wirtschaft zu stützen. Hier zeigt sich der Konflikt zwischen der Struktur unserer Wirtschaft und der angestrebten Reduktion der klimaschädlichen Emissionen: Wenn die Wirtschaft wächst, steigt der CO2-Ausstoß. Diesen Zwang gilt es zu durchbrechen. Dies geht aber nur mit einer nachhaltigen Industriewirtschaft.

Ein grünes Konjunkturpaket zur Überwindung der Coronakrise

In der Bewältigung der aktuellen Krise liegt die Chance für den Aufbau eines nachhaltigen Wirtschaftssystems. Um wirtschaftliche und soziale Härten abzufedern wird zurzeit – wie in der Finanzkrise 2009 – über wirksame Konjunkturprogramme debattiert. Damals war die sogenannte Abwrackprämie ein Teil des Programms. Dieser staatliche Zuschuss zur Stilllegung des Altfahrzeugs und zum Kauf eines Neuwagens hieß zwar offiziell Umweltprämie, hatte allerdings keinen nennenswerten Einfluss auf die Klimabilanz. Die Bundesregierung hat nun die Möglichkeit an anderen Stellschrauben zu drehen und so im Sinne des „New Deal“ einen „Green Deal“ aufzubauen. Mit einem grünen Konjunkturpaket können sowohl die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise als auch der Klimawandel bekämpft werden.

Energieeffizienz im Wohnungsbau funktioniert. Das zeigt das Projekt Güterbahnhof, finanziert von der UmweltBank. | Foto: UmweltBank AG

Die deutsche Denkfabrik Agora Energiewende hat bereits in Ihrer Analyse Eckpunkte für ein grünes Konjunkturpaket gesetzt. Förderungen sollten darauf hinwirken, dass verschiedene Industriesektoren in klimaschonende Technologien investieren. Die Agora-Experten empfehlen dafür Impulse zur energieeffizienten Gebäudesanierung zu entwickeln, um die Baukonjunktur zu stützen. Zudem benötigen zahlreiche energieintensive Industrien Investitionen in neue ökologische Technologien und die Autoindustrie sollte die Entwicklung alternativer Antriebe vorantreiben. Auf solche konkreten Entwicklungsfelder muss die Förderpolitik der Bundesregierung abzielen.

Die Investitionen in eine nachhaltige Wirtschaft können nicht länger warten, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erfüllen wollen. Um dieses Ziel zu erreichen, können wir uns vor allem nicht leisten, dass der CO2-Ausstoß durch nachgeholten Konsum in den nächsten Jahren steigt.

Klimaschutz ohne Zwang

Die aktuelle Situation zeigt, dass die Reduktion von klimaschädlichen Emissionen durch Verzicht möglich ist. Wir sehen auch, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in kurzer Zeit radikale Veränderungen durchmachen können. Dies ist allerdings das Ergebnis starker Einschränkungen für unser Leben. Diese sind für eine freiheitliche Gesellschaft nicht lange tragbar. Der Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft kann demnach nur erfolgen, wenn die Bevölkerung ihn mitträgt. Staatliche Institutionen können diesen Wandel aber durchaus lenken und mit Nachdruck vorantreiben.

Durch ein grünes Konjunkturpaket kann der Staat nicht nur für eine nachhaltige Wirtschaft sorgen, sondern beispielsweise zusätzlich die Nachfrage nach privaten Solaranlagen stärken. So können Arbeitsplätze in nachhaltigen Wirtschaftszweigen geschaffen werden. Zudem kann die öffentliche Hand Bildungsangebote stärken, die sich mit Lösungen und Problemen des Klimawandels auseinandersetzen. Diese Maßnahmen würden die Akzeptanz für den Klimaschutz in der Bevölkerung steigern.

Wir sehen gerade, dass uns eine gemeinsame Kraftanstrengung weit bringen kann. Dies muss die zentrale Erkenntnis aus der Coronakrise für die Klimakrise sein. Wenn wir jetzt Konzepte umsetzen, die Fachleute bereits erarbeitet haben, können wir die nächste Katastrophe abwenden, bevor sie für die meisten Menschen eine unmittelbare Bedrohung wird. Dann brauchen wir auch nicht in Panik zu verfallen, sondern meistern beide Menschheitsaufgaben.