Es rappelt im Karton, und zwar mächtig. Denn immer häufiger werden Waren in viel zu großen Verpackungen verschickt. Rundherum eine Menge Luft oder noch schlimmer: jede Menge Verpackungsmaterial. Beim Auspacken wartet dann die Überraschung; zwischen 15 Metern Plastikfolie und zwei Quadratmetern Kartonage kommt nur das bestellte Kopierpapier zum Vorschein. So oder so ähnlich ergeht es mittlerweile vielen Menschen, die online einkaufen.
Der Verpackungswahnsinn hat Methode
Händler verweisen darauf, dass es oft nicht anders ginge, weil es kaum möglich sei, die Kartongröße an die Ware anzupassen. Bei Produkten, die eine ungewöhnliche Form haben, mag das stimmen. In vielen Fällen wäre eine ressourcenschonendere Verpackung aber durchaus machbar.
Besonders beim Lebensmittel-Versand, einem stark wachsenden Markt, ersticken Kunden nach der Lieferung in Müllbergen. Schließlich müssen empfindliche Produkte wie Eier extrem gut gepolstert werden. Bei Tiefkühlware darf die Kühlkette nicht unterbrochen werden, also liegen zig Kühl-Packs bei.
Abgesehen davon, dass eine übertriebene Verpackung eine enorme Belastung für die Umwelt ist, macht der Verpackungsmüll einfach Arbeit. Denn das übrige Material muss zerkleinert und zum Container gebracht werden, oder es verstopft die Tonnen im Haus.
Verrückte Verpackungen im Obstregal
Auch im Supermarkt stolpert man immer häufiger über völlig unnachvollziehbare Verpackungsvarianten. Hier eine Hitliste mit irrsinnigen Verpackungsideen:
- in Plastikfolie eingeschweißte Bananen
- einzelne Birnen im Kunststoffpolster
- geschälte Mandarinen in einem Plastikbecher
- hartgekochte Eier ohne Schale in einer Kunststoffbox
- einzelne Süßkartoffeln oder Karotten in Folie verschweißt
- geschälte Kokosnüsse in Folie verpackt
Noch mehr Beispiele für den Verpackungswahnsinn postet der Account pointless_packaging regelmäßig auf Instagram.
Meist handelt es sich um Convenience-Produkte, also Lebensmittel, die möglichst verzehrfertig verkauft werden. Die Kundschaft soll so wenig Arbeit wie möglich damit haben. Ob der minimale, eingesparte Aufwand, beispielsweise eine Mandarine zu schälen, die damit einhergehende Umweltbelastung rechtfertigt? Ein weiteres Argument sind Hygienestandards. Dabei kann eine Verkeimung von Lebensmitteln auch bereits vor dem Packprozess erfolgen.
Zero-Waste-Apps: Packen wir’s an
Um sich dem Verpackungswahnsinn zu widersetzen, sollte man solche Produkte schlicht nicht kaufen. Dazu kann man sich noch sehr schnell und effektiv mit einem Hinweis beim Hersteller melden. Dabei hilft die App Replace Plastic. Einfach den Barcode des übertrieben verpackten Produktes in die App einlesen und die vorformulierte Beschwerde-Nachricht abschicken. Damit kann jeder unkompliziert und direkt seinen Unmut über das verpackte Produkt kundtun. Je mehr Menschen die App nutzen, desto mehr Druck wird aufgebaut.
Jennifer Timrott, Initiatorin der App und Vorsitzende des Vereins Küste gegen Plastik berichtet in dem Wirtschaftsmagazin Absatzwirtschaft von positiven Erfolgen. So verkauft die Kosmetikmarke Fairsquared einige Artikel nun in Mehrweggläsern. Die Waldemar Behn GmbH aus Eckernförde hat zum Teil Umverpackungen aus Plastik durch Papier ersetzt, nachdem sie über die App einige Nachrichten erhalten hatte.
Mit Litterati Müll und Daten sammeln
Eine weitere App, die dem Müll den Kampf angesagt hat, ist Litterati. Der Name bezieht sich auf das englische Wort „to litter“, das „wegwerfen“ bedeutet. Mit dieser App soll man Müll fotografieren, der in der Straße oder der Natur liegt. Das Foto wird mitsamt Geo-Daten an die Betreiber verschickt. Diese werten die Fotos aus und erstellen Profile darüber, wo und welche Art von Müll am meisten herumliegt. Das Ergebnis kann man sich in einer interaktiven Karte ansehen. Dass man den für Litterati dokumentierten Müll nicht liegen lässt, sondern am besten gleich entsorgt, versteht sich für die Nutzer von selbst.
Daten als Waffe
Die Idee klingt erst einmal ungewöhnlich, aber aufgrund dieser Daten haben Umweltschützer schon große Erfolge gefeiert. In San Francisco nutzte die Stadt die Daten aus der App, um die Verdopplung der Zigarettensteuer zu begründen. Vor Gericht bekam die Stadt außerdem von den Herstellern vier Millionen Dollar Reinigungskosten pro Jahr zugesprochen.
Nicht ganz so weitreichend, aber doch effektiv war das Müllsammeln einer Gruppe Fünftklässler. Dank Litterati stellten sie fest, dass der Müll auf dem Schulhof überwiegend aus Strohhalmen bestand. Mit dieser Erkenntnis machten sie sich erfolgreich für ein Verbot von Strohhalmen in der Schulcafeteria stark. Der Pausenhof war fortan deutlich sauberer.
Die Apps Replace Plastic und Litterati gibt es kostenlos für Android und iOS. Beide Projekte freuen sich über Spenden.
Google Play Store (Android): Replace Plastic und Litterati
Apple App Store (iOS): Replace Plastic und Litterati
Ich habe gestern einen Weichkäse gekauft, welcher 3x verpackt ist.
1x in einer Schachtel, danach in Plastik und zuletzt in Alufolie! Wo kann ich die Fotos davon hin schicken und wer nimmt den Hersteller in die Pflicht? Nicht wir Endverbraucher produzieren den Müll, sondern die Industrie! Dabei steht die Pharma Industrie ganz weit vorne! Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen! Vielen Dank!
Herzliche Grüße
Hallo Herr Böhme,
vielen Dank für den Kommentar. Hierfür gibt es eine App, die sich „Replace Plastic“ nennt. Darüber kann mit Scannen des Barcodes eine überflüssige Plastikverpackung gemeldet werden. Hierbei wird das Kunden-Feedback gesammelt und an die Hersteller und Händler weitergeleitet.
Viele Grüße
Jessica Albrecht
Ich bin damit einverstanden. Man kann Gemüse und andere Lebensmittel nicht nur auf Wochenmärkten ohne Umverpackung kaufen. Lebensmittel sind immer zu viel verpackt! Ich muss meinen Mülleimer zu häufig leeren!
Wir benötigen entweder andere Konzepte oder eine bessere / effizientere Umsetzung der bestehenden 😉 Ja, wie kam ich auf diese Seite und dazu das hier zu kommentieren… Über einen bekannten Online-Versandhandel fand ich ein Produkt, welches sich Fingerklingel nennt. Bis dato hatte ich dieses (um beim Inlinern eine Klingel zu haben) nicht bei den umliegenden (nahen) Händlern gefunden. Verkauft wurde es auf dem „Marktplatz“ durch einen weiteren „Klüngelkram“ Riesen wessen Name wie eine Perle klingt ;).. Leider habe ich das nicht gesehen. Es kam das Paket. Die Klingel ist übrigens groß wie ein Ohrensteckerkästchen.. max. Das Paket.. hatte die Größe eines Kataloges.. Umverpackung, Kunsstoff-Folie um die Klingel und jede Menge.. ungefragter Werbung in Form des benannten Kataloges und weiteren Flyern. Dieses kann man leider nirgends anprangern, verdeutlichen, da es ja keinen Barcode hat 🙂
Aber es muss in diesem Maße auch nicht sein, selbst wenn es recyceltes Papier ist..
Der täglich anfallende Müll ließe sich schon schlichtweg dadurch reduzieren, dass Produkte, hier fallen vor allem Nahrungsmittel ins Gewicht, entsprechend ihrer Menge bzw Größe abgepackt werden. Auch hier fällt vor allem Nestle negativ ins Auge. Besonders die vegetarischen Fleischersatze würden mit einer 50% kleineren Verpackung auskommen. Man denke daran, Dasein Folge doppelt so viel transportiert werden könnte und sich auch der Platz von Verkaufs- und Lagerflächen effizienter nutzen ließe.