Lieber Marc, bei uns summt es ja seit einiger Zeit munter auf dem Dach und die Bienen fühlen sich offensichtlich ganz wohl. Kann man eigentlich überall einen Bienenstock aufstellen?

Grundsätzlich ja. Allerdings gibt es einen Wust an Bürokratie. Bienen müssen beispielsweise gemeldet werden. Außerdem erfordert die Bienenzucht einiges an Wissen und Einsatz. Früher konnte man einfach einen Bienenstock aufs Feld stellen. Dann hat man dreimal im Jahr ein bisschen Honig entnommen und die Bienen haben ohne weitere Pflege überlebt. Das geht heute gar nicht mehr. Alle Imker müssen ihre Bienenstöcke sehr gut im Auge behalten und viel tun, damit die Bienen überleben.

Was hat sich verändert, dass die Bienen heute nicht mehr so einfach zu halten sind?

Den Bienen sind einfach die Lebensräume weggenommen worden. Die Biene ist ein Waldtier, aber es gibt beispielsweise keine Baumhöhlen mehr, in denen sie sich ansiedeln kann. Durch Versiegelungen, Klimawandel und ganz allgemein den Rückgang der Biodiversität fehlt es den Bienen an Nahrung. Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft ist natürlich auch ein Problem für die Bienen. Zwar sieht man immer noch Bienen draußen umherschwirren, aber das sind Wildbienen, dazu gehören auch Hummeln, Holzbienen, Mauerbienen oder Erdbienen. Diese Arten sind aber Einzelgänger, die den Winter nicht überleben. Die Honigbiene ist die einzige, die Honig produziert, in Gesellschaft lebt und dadurch den Winter übersteht. Wir müssen davon ausgehen, dass es in Deutschland, vermutlich in ganz Europa, nur noch sehr wenig wilde Honigbienen gibt. Sie können mit unserer Art der Haltung, der Zucht und unseren Bienenbehausungen nur noch beim Menschen überleben. Und selbst bei guter Pflege liegt die geschätzte Sterblichkeit in den Großstädten im Winter manchmal bei etwa 50 Prozent.

Was müssen Imker denn alles tun, um ein Bienenvolk zu erhalten?

Zunächst einmal müssen die Bienen gefüttert werden. Das machen wir bei den Bienenvölkern der UmweltBank einmal in der Woche. Die Bienen erhalten einen angerührten Sirup aus Honig, Zucker, Wasser und Salz. Außerdem schauen wir, ob das Flugloch in Ordnung ist, ob sie ein „Höschen“ anhaben, so nennt man das in der Imkerei, wenn Bienen Pollen einbringen. Wir prüfen, ob es Angriffe von fremden Bienen, Wespen oder Hornissen gibt, die fressen Bienen nämlich auf oder klauen den Honig. All das können wir übrigens ohne Schutzanzug tun. Den Bienen geht es da oben sehr gut, das merke ich daran, dass sie ruhig und gar nicht aggressiv sind. Niemand ist bislang gestochen worden, da braucht man keine Angst zu haben.

Marc, du bist ja Bio-Imker. Was unterscheidet eine Bio-Imkerei denn von der konventionellen?

Da muss ich ein bisschen ausholen… Zunächst einmal betrachten Bio-Imker die Bienenhaltung ganzheitlich; das Tierwohl hat eine besondere Bedeutung. Wachs und Honig sollen möglichst rückstandsfrei sein. Mit chemischen Produkten in der Haltung gibt es natürlich Rückstände. Das passiert überwiegend durch den Kampf gegen die Varroa-Milbe.

Marc Schüller zeigt auf, wie wichtig Bienen für unser Ökosystem sind und dass Honig von lokalen Erzeugern einige Vorteile bietet. | Foto: Marc Schüller

Sie ist eine große Bedrohung für die Bienen. Die Varroa-Milbe tauchte 1967 erstmals in Europa auf. Vermutlich wurde sie aus Ostasien eingeschleppt, früher gab es die Milbe nicht. Die Milbe befällt inzwischen aber so ziemlich jedes Bienenvolk. Die UNO sieht durch die Varroa-Milbe sogar die Nahrungsgrundlage der Menschheit in Gefahr. Und damit hat sie recht, denn ohne die Bienen können wir Menschen nicht überleben.
Die Varroa-Milbe lässt ein komplettes Bienenvolk in wenigen Monaten sterben, darum müssen Imker ihre Bienen behandeln, teilweise auch präventiv. Die konventionellen Imkereien greifen dafür auf pharmazeutische Mittel zurück. In Bio-Imkereien verwenden wir organische Säuren, weil sie keine Rückstände im Honig hinterlassen. Außerdem entwickeln die Milben gegen die chemischen Mittel Resistenzen. Der konventionelle Imker muss die Dosis ständig erhöhen. Bei den organischen Säuren entstehen keine Resistenzen.

Wie muss man sich so eine Milbenbehandlung vorstellen?

In der Bio-Imkerei setzen wir vornehmlich Ameisensäure, Oxalsäure und Milchsäure ein. Letztere verwendet man auch bei der Gärung von Sauerkraut. Beide Stoffe werden im Labor künstlich nachgebaut, sind aber Bausteine aus der Natur. Es schadet den Bienen, ist aber eine Abwägung von Nutzen und Schaden. Milchsäure ist noch etwas milder. Wenn ich die stärkere Ameisensäure einsetzen muss, beobachte ich manchmal, dass am nächsten Tag Fühler am Boden liegen. Die Bienen haben sie sich ausgerissen, weil sie die Verätzung der Ameisensäure nicht ausgehalten haben. Bienen sind von ihrem Geruchsorgan ja sehr abhängig. Zum Glück ist das nur bei wenigen Tieren der Fall, trotzdem ist das keinem Imker egal. Die Frage nach dem Tierwohl ist berechtigt, aber wir Imker stehen mit dem Rücken zur Wand. Wenn wir nichts tun, sterben die Bienen. Es wird überall geforscht, aber es hat noch niemand ein verträgliches Mittel gegen die Varroa-Milbe gefunden. Wir können nur hoffen, dass es schnell neue Erkenntnisse und bessere Wirkstoffe gibt. Oder wir müssen die Lebensbedingungen der Bienen so verändern, dass sie mit den Milben zurechtkommen. Denn viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Probleme um die Varroa-Milbe nur ein Symptom einer insgesamt nicht bienengerechten Haltung und Umgebung sind. Deshalb ist die Milbe nicht wirklich die Ursache des Dilemmas.

Problematisch ist das Preisdumping, ganz ähnlich wie beim Fleisch. Die niedrigen Preise gehen auf Kosten der Schwächsten in der Erzeugungskette.

Marc Schüller

Bio-Imker und Tierwirt Fachrichtung Bienen

Was kann man als Verbraucher beim Honigkauf beachten, um eine möglichst schonende Bienenhaltung zu unterstützen?

Zunächst einmal ist ein Honigkauf ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz, weil wir uns ohne Bienen nicht ernähren könnten. Die Bienenhaltung an sich ist unterstützenswert. Problematisch ist das Preisdumping, ganz ähnlich wie beim Fleisch. Die niedrigen Preise gehen auf Kosten der Schwächsten in der Erzeugungskette. Honig kommt oft aus dem EU-Ausland, auch Bio-Honig. China ist beispielsweise ein großer Importeur. Dieser Honig ist nicht per se schlecht. Man sollte aber auf Bio-Siegel achten: demeter oder Biokreis beispielsweise.
Wie bei vielen Produkten ist es gut, wenn man bei lokalen Produzenten einkauft, durchaus auch bei Hobby-Imkern. Dann kann man sich auch gleich die Imkerei ein bisschen anschauen und sich einiges erklären lassen. Durch die Imkerei nimmt man stärker wahr, was draußen los ist. Das sehe ich auch bei der Arbeitsgruppe Bienen der UmweltBank. Hier sind natürlich alle schon für Umweltfragen sensibilisiert, aber durch die Bienenhaltung können wir viel dazu lernen. Die Bienen verändern unseren Blickwinkel auf die Natur auf ihre eigene Art.

Lieber Marc, wir danken dir sehr herzlich für das interessante Interview und natürlich auch für deine Unterstützung bei unseren Bienenstöcken.

Marc Schüller ist seit fast 20 Jahren Imker und seit 11 Jahren Bio-Imker. Seinen Abschluss zum Tierwirt Fachrichtung Bienen machte er am staatlichen Bieneninstitut in Veltshöchheim. Für den ökologischen Anbauverband Biokreis arbeitet er eng mit Landwirten und Imkern zusammen. Außerdem bringt er Kindern und Jugendlichen mit seinen pädagogischen Programmen die Bienen näher. Er sitzt im Nürnberger Stadtrat, ist umweltpolitischer Sprecher und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen in Nürnberg. Marc besitzt eine kleine Imkerei mit etwa 20 bis 30 Bienenvölkern.