Fridays for Future, Artists for Future, Scientists for Future, Parents for Future etc., sie alle sind heute fester Bestandteil der globalen Klimaschutzbewegung. Alles begann mit dem Schulstreik der damals 15-jährigen Greta Thunberg. Am 20. August 2018 streikte sie erstmals vor dem schwedischen Reichstagsgebäude in Stockholm und zeigte dabei ein Schild mit der Aufschrift „Skolstrejk för klimatet“ (deutsch: Schulstreik fürs Klima). Schon nach wenigen Tagen berichteten globale Medien über diese charismatische junge Frau, die so viele Menschen weltweit inspirieren sollte und schnell gingen Schüler weltweit auf die Straße.
Aber damit nicht genug. Fast zeitgleich entwickelte sich eine weitere globale Bewegung, die im Oktober 2018 in England gegründete Extinction Rebellion (XR). Auch dieser Bewegung gelang es durch Sitzstreiks, Flashmobs und Massenproteste schnell weltweit mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das vom englischen Streetart Künstler ESP geschaffene Symbol der XR-Bewegung ist ein Kreis (Symbol für unseren Lebensraum Erde) der eine Sanduhr einrahmt. Es steht für die sechste, holozäne Aussterbewelle. Das Netzwerk geht mit seiner Verweigerungsstrategie noch einen Schritt weiter. So blockierten Aktivisten im November 2018 die wichtigsten Brücken über die Themse, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Für viele in der XR-Bewegung ist Mahatma Gandhi mit seiner Strategie des friedlichen zivilen Ungehorsams Vorbild.
Auf die Straße für den Klimaschutz
Innerhalb kürzester Zeit sind selbstorganisiert global hunderte lokale Ortsgruppen in beiden Netzwerken entstanden. Nach zwei Jahrzehnten relativer Ruhe auf den Straßen gehen weltweit wieder Millionen für den Klimaschutz auf die Straße. Anscheinend gerade junge Menschen haben nicht nur das Vertrauen in die Politik verloren, sondern auch in die alteingesessenen Akteure im Umwelt- und Klimaschutz mit ihren hierarchischen Strukturen und einem eher kooperativen Umgang mit Politik und Wirtschaft.
Diese neue zivilgesellschaftliche Bewegung ist geprägt von losen Netzwerken lokaler Gruppen ohne jede Hierarchie. Das macht es einerseits schwer, diese Bewegung zu greifen, andererseits lässt sich die Bewegung dadurch auch nicht so einfach manipulieren. Dass durch die Medien einige Gesichter prominent dargestellt werden, wird innerhalb der Bewegung eher kritisch gesehen. Es soll um die Sache gehen, nicht um Einzelpersonen.
Taten statt leerer Worte
Die junge Generation hat die Geduld verloren! Das scheint durchaus verständlich. Vom Bericht des Club of Rome 1972, über die 1992 in Rio veröffentlichte Agenda 21, hin zu den Millennium Development Goals und nun den Sustainable Development Goals spricht die Weltgemeinschaft seit nunmehr fast 50 (!) Jahren von sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz. Nur um am Ende dann doch auf ein „weiter so“ zu setzen, aus Angst vor den nötigen Veränderungen, die eine ernstgemeinte global denkende Sozial- und Umweltpolitik mit sich bringen würde. So ist es wenig verwunderlich, dass nun der Korken aus der Flasche lange aufgestauter Frustration gerade unter jüngeren Menschen geflogen ist. Die Politik hat ihre Glaubwürdigkeit verspielt. So gaben 2017 bei einer Studie der europäischen Rundfunkanstalten 82 Prozent der befragten 18- bis 34-Jährigen an, wenig bis gar kein Vertrauen in die Politik zu haben. Greta Thunbergs Schulstreik kam wohl gerade zur richtigen Zeit, um diesem bis dato eher ideenlosen Frust ein Leitbild zu schenken. Wir machen nicht mehr mit, so die klare Botschaft dieser Bewegung. Statt leerer Worte wollen sie Taten sehen.
Und die jungen Menschen sind damit längst nicht mehr alleine. Über offene Briefe hat sich eine Vielzahl von Wissenschaftlern, Politikern und Aktivisten wie beispielsweise Vandana Shiva, Naomi Klein, Noam Chomsky, A.C. Grayling, Philip Pullman, Rowan Williams, Bill McKibben, hinter diese neue Protestbewegung gestellt. In ihrem Brief schreiben sie unter anderem: „Politische Führungen scheitern weltweit an der Thematisierung der Umweltkrise. (…) Wir müssen gemeinsam alles tun, was gewaltlos notwendig ist, um Politiker und Wirtschaftsführer von der Aufgabe ihrer Selbstgefälligkeit und Leugnung zu überzeugen. Ihr ‚weiter so wie bisher‘ stellt keine Option mehr dar. Weltbürger werden dieses Versagen unserer planetaren Pflicht nicht länger hinnehmen.“ Das sind deutliche Worte und dieses Mal direkt aus der Mitte unserer Gesellschaft. In Schulhäusern, Firmen, Pfarrämtern und Rathäusern sagen mehr und mehr Menschen an der Basis: „Es reicht, wir wollen endlich konkrete Taten sehen!“
Gut, dass es diese Menschen gibt. Nun wird es Zeit, dass die Botschaft auch in den Schaltzentralen von Politik und Wirtschaft verstanden und aufgenommen wird.
Hinweis: Dieser Kommentar spiegelt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wider. Frank Braun initiierte 2008 die fränkische Nachhaltigkeitsinitiative BLUEPINGU e. V. Seit 2012 widmet er sich auch beruflich der Fragestellung, wie nachhaltige Entwicklung in die Praxis umzusetzen ist.