Holz brennt. Keine Frage. Aber Häuser sollen möglichst nicht brennen. Auch da herrscht Konsens. Und so landete Holz lange auf dem Abstellgleis statt auf der Baustelle: Die Landesbauverordnungen machten das Bauen mit Holz wegen besonders hoher Brandschutzauflagen nahezu unmöglich, zumindest was mehrgeschossige Gebäude anging. Dabei erweisen sich Holzkonstruktionen bei Feuer eigentlich als ebenbürtig zu konventionellen Betonbauten.

Neue Bauordnungen stärken den Holzbau

Im Brandfall muss ein Gebäude je nach Gebäudeklasse sechzig bis neunzig Minuten lang dem Feuer standhalten, bevor es in sich zusammenfällt. Massives Holz verbrennt in dieser Zeit nur an den ersten Zentimetern. Die Kohleschicht wirkt dann als Brandschutzwand für das Holz darunter, das haben Tests nachgewiesen. Stahlträger hingegen können in dieser Zeit durch die Hitze bereits verformt und nicht mehr tragfähig sein. Ein weiteres Plus: Holz kündigt den bevorstehenden Zusammenbruch an. Feuerwehrleute können die akute Einsturzgefahr besser einschätzen als bei einem Gebäude aus Stahl und Beton.

Das gilt für Einfamilienhäuser, aber auch für mehrgeschossige Gebäude. Sogar Schulen und Studentenwohnheime wie das Projekt 42! in Bonn können gefahrlos in Holzbauten untergebracht werden. Viele Kindergärten setzen ebenfalls auf Holz, so auch das aktuelle Bauvorhaben der Elterninitiative Kuk e.V in Nürnberg: Der zweigeschossige Neubau inklusive Krabbelstuben, Kreativräumen und Turnhalle wird schon bald bezugsfertig sein. Ein- und Zweifamilienhäuser durften schon länger aus Holz gebaut werden. Speziell Fertighäuser machten sich die Vorteile des Rohstoffes zunutze. Aber gerade der Bau mehrgeschossiger Holzhäuser war baurechtlich enorm schwierig – bis mehrere Bundesländer die Bauordnung für diese Gebäudeklassen lockerten.

Eine kindergerechte Architektur und ökologische Materialien stehen beim Neubau der Kindertagesstätte im Vordergrund. | Foto: Jeanette Huep

Den Auftakt machte Baden-Württemberg im März 2015. Brennbare Baustoffe sind seitdem zulässig, wenn die Feuerwiderstandsdauer bewiesen ist. Es folgten Berlin, Hamburg und Hessen in 2018 und schließlich Schleswig-Holstein und NRW in 2019. In Brandenburg stehen die Zeichen für eine Anpassung der Bauordnung ebenfalls gut.

Holz: Der Klimaretter auf der Baustelle

„Die neuen Bauverordnungen sind eine gute Entwicklung für die Umwelt, denn Holz hat als einziger unter den gängigen Baustoffen eine positive Öko-Bilanz.“ Matthias Winkler, Leiter der Finanzierung Immobilienprojekte bei der UmweltBank. Ein Baum nimmt im Wachstum Treibhausgase auf, allen voran CO2. 

Auf einem Bildschirm im Eingangsbereich des Studierendenwohnheims können die 32 Bewohner ablesen, wie viel Energie im Haus verbraucht wird. | Foto: Raum für Architektur

Ein Kubikmeter Holz bindet etwa 1 Tonne CO2. In verbautem Holz ist es langfristig gespeichert und kann der Atmosphäre nicht mehr schaden, während bei der Herstellung von Beton oder Zement Unmengen an CO2 produziert werden. Um die Wälder müsste man sich wegen eines Holzbau-Booms nicht sorgen: In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es enorme Holzreserven. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald schätzt den Vorrat auf 3,7 Milliarden Kubikmeter: Damit könnte man einen drei mal drei Meter massiven Turm bis zum Mond errichten – oder sehr viele Holzhäuser.
Holz bringt als Baustoff noch weitere Vorteile mit: Es benötigt weniger Dämmung. Insbesondere gegen Sommerwärme sind Holzbauten bestens aufgestellt.

Dadurch kommt es zu einem Raumgewinn, der je nach Gebäudehöhe schätzungsweise zwei bis fünf Prozent mehr Wohnfläche schafft. In Österreich gibt es mittlerweile Testbauten mit 24 Zentimeter dicken Holzwänden ohne jegliche weitere Dämmschicht. Holzhäuser sind außerdem rückbau- und recyclingfähig. Selbst wenn ein ganzer Wohnkomplex eines Tages wieder abgebaut wird, kann das Material aufbereitet und weiterverwendet werden.

Durch Aufstockung könnten in Deutschland etwa 1,5 Millionen neue Wohneinheiten auf bestehenden Gebäuden geschaffen werden. Das hat eine aktuelle Studie der TU Darmstadt errechnet. Mit dem leichten und unkomplizierten Baustoff Holz wäre das schnell und nachhaltig umsetzbar.

Holzbauweise punktet mit kurzer Bauzeit

Seine Renaissance hat der Holzbau auch einem neuen Verfahren zu verdanken: Mittlerweile können großformatige Brettsperrholzplatten mit bis zu 25 Metern Länge produziert werden. Sie bestehen aus mehreren, über Kreuz verleimten Lagen und sind damit enorm formstabil. Spezialbetriebe fertigen aus den Holztafeln ganze Wände und Decken. Dafür schneiden Roboter die Teile computergesteuert millimetergenau zu. Fenster werden bereits in der Werkshalle eingesetzt und sogar Löcher für Durchbrüche, Steckdosen, Kabel und Lichtschalter gefräst.

Die vorgefertigten Wände müssen auf der Baustelle nur noch ineinandergesteckt und verschraubt werden. Da Holz vergleichsweise leicht ist, lässt sich das mit einem Kran und erfahrenen Zimmer_innen schnell umsetzen. Auf diese Weise wuchs auch das viergeschossige Wohnhaus der Baugemeinschaft MaxAcht in die Höhe. In Italien wurden 420 Kubikmeter gesägte Balken zu Wänden, Decken und Böden vorproduziert. Auf der Baustelle in Stuttgart ging es anschließend viel schneller voran. Nach nur sechs Wochen stand bereits der Rohbau für die elf Wohnungen. Und nicht nur das: Die Arbeiten an einem Holzhaus sind viel leiser als auf einer Baustelle mit ständig dröhnendem Betonmischer. Die zukünftige Nachbarschaft dankt.

Das Projekt MaxAcht hat Leuchtturmcharakter für eine urbane und zeitgemäße Architektur. Als Mehrgenerationenhaus ist es rollstuhlgerecht ausgebaut. | Foto: Juergen Pollak Photographie & Film

Hybridbauweise: Beton und Holz im gemischten Doppel

Theoretisch könnte man in dieser Bauweise immer weiter gen Himmel bauen. Bei den oberen Geschossen wird es jedoch schwierig. Die tragenden Wände müssen mit jedem Stockwerk dicker werden, damit das Haus noch sicher steht. Darum eignet sich bei höheren Gebäuden die Hybrid-Bauweise besser: Für die Treppenhäuser und Aufzugschächte verwendet man Beton. Sie geben nicht nur Stabilität, sondern sind auch ein Zugeständnis an den Brandschutz. Die Holzkonstruktion für die Geschosse wird an die Schächte angehängt. Bei Bedarf verstärkt eine dünne Betonschicht die Holzdecken.
Der Holz-Beton-Hybrid-Bauweise ist auch die Westspitze in Tübingen zu verdanken. Auf einem ehemaligen Güterbahnhof-Areal steht heute ein modernes Quartier. Herzstück ist der 22 Meter hohe Turm mit einer Nutzungsmischung aus Büroflächen, Arztpraxen und anderen Dienstleistungen.
Holzbauten können nicht nur einen Betonkern haben, sie sind auch was die Fassade und den Innenausbau angeht, völlig flexibel. Fassaden mit Klinker oder Putz sind genauso üblich wie bei der herkömmlichen Bauweise. Gleiches gilt für den Innenausbau: Die Wände können verputzt, gestrichen oder tapeziert werden.

Vom ersten Spatenstich bis zum Einzug verging nicht einmal ein Jahr. Möglich war dies dank moderner Holzbauweise beim BHF 109 in Dahlewitz. | Foto: Markus Loeffelhardt / schäferwenninger projekt

Ein moderner Look für das Holzhaus

Altbackenen Almhütten-Charme sucht man im modernen Holzhaus vergebens, obwohl viele Bauleute gerade die zeitlose Natürlichkeit des Baustoffes schätzen und sich bewusst für sichtbare Holzoberflächen entscheiden. So geschehen bei den Mehrgenerationenhäusern BHF 109 in Dahlewitz, südlich von Berlin: Die beiden viergeschossigen Holzgebäude, die sogar den Effizienzhaus-Standard KfW 40 erreichen, erhielten eine Fassadenschalung aus Douglasie. Im Inneren sind Fenster, Türen und Decken aus Holz, während die Holzwände verputzt und weiß gestrichen sind.

Verschiedene Studien zeigen, dass gerade die Verwendung von Holz in der Innenausstattung viel zum Wohlfühlklima beiträgt. Denn viele Menschen empfinden Holzoberflächen als harmonisch und beruhigend. Bei Tests mit 119 Studierenden der University of British Columbia in Vancouver beispielsweise sanken Puls und Blutdruck der Teilnehmenden in den mit Holz ausgestatteten Räumen merklich. Forscher-Teams in Japan beobachteten, wie Senior_innen in einer betreuten Einrichtung auf Möbel und Alltagsgegenstände aus Holz reagierten: Die meisten wurden gesprächiger und hilfsbereiter.

Holzhäuser sind kaum teurer

Dass Bauleute für all’ die Vorteile des Baustoffes Holz – wie oft behauptet – tiefer in die Tasche greifen müssen, möchte Olaf Schäfer, Bauingenieur und Mitbegründer der schäferwenningerprojekt GmbH, die neben vielen anderen Holzgebäuden auch BHF 109 erbaut hat, so nicht stehen lassen: „Holz ist teurer, ja. Aber wenn man Holz im Innenraum sichtbar lässt, spart das einige Arbeitsschritte. Außerdem fallen auf der Baustelle keine teuren Korrekturarbeiten oder Entsorgungskosten für den Betonabfall an. Das muss alles bedacht werden.“

Seiner Erfahrung nach landen Bauleute eines Holzhauses je nach Planung bei gleichen oder nur unwesentlich höheren Kosten im Vergleich zu einem herkömmlichen Bau. Auch in Sachen Lebensdauer und Wertbeständigkeit stehen moderne Holzhäuser konventionellen Bauten in nichts mehr nach. In einem Holzhaus kann man also durchaus Wurzeln schlagen.

Den Bau aller im Text erwähnten Gebäude hat die UmweltBank finanziert.

Weitere Informationen zur Finanzierung nachhaltiger Bauvorhaben:
www.umweltbank.de/finanzieren/bauen-wohnen