In Wunsiedel im fränkischen Fichtelgebirge drehen sich schon heute fleißig die Windräder und jeder Sonnenstrahl wird von Solaranlagen eingefangen. Die Gemeinde produziert praktisch 100 Prozent ihrer Energie aus Sonne, Biomasse und Wind. Die Strategie dahinter – der Wunsiedler Weg – ist ganzheitlich. Das Konzept sieht vor, dass alle Energiequellen, Erzeuger und Verbraucher vernetzt werden. „Unser Ziel ist es, eine weitgehend autonome, auf regionalen Kreisläufen basierende Strom- und Wärmeversorgung aus erneuerbaren Quellen zu schaffen“ , erklärt Marco Krasser, Geschäftsführer der Stadtwerke Wunsiedel.

Erneuerbare Energie lokal genutzt

Das gelingt bislang gut. So erzeugt beispielsweise ein Biomasse-Heizkraftwerk seit 2012 nicht nur grünen Strom. Die dabei anfallende Abwärme nutzen die Stadtwerke, um Holz zu trocknen, aus dem Holzpellets hergestellt werden. Im Jahr 2018 wurde diese Anlage noch ausgebaut. Fast 28 Millionen Euro investierten die Partner BayWa und der Wärmeversorger Bayernwerk Natur in das Projekt – finanziert durch die UmweltBank. Nach nur 14 Monaten Bauzeit konnte ein neues Pelletswerk den Betrieb aufnehmen. Damit werden in Wunsiedel jährlich etwa 157.000 t Holzpellets produziert. 150.000
3-Personen Haushalte können damit ein Jahr lang mit Strom versorgt werden. Der Rohstoffeinkauf für das Pelletswerk erfolgt regional: Das Holz kommt ausschließlich aus dem Fichtelgebirge. Dabei handelt es sich vor allem um das Restholz lokaler Sägebetriebe, Äste und Material aus der Landschaftspflege.

Grüner Wasserstoff aus der Region für die Region

Das neueste Projekt der umtriebigen Wunsiedler ist die Wasserstofferzeugungsanlage WUN H2, eine der größten ihrer Art in ganz Deutschland. Die Anlage wird am Wunsiedler Energiepark in unmittelbarer Nähe zu einem bereits in Betrieb befindlichen Batteriespeicher errichtet. Jährlich produziert die Anlage 960 Tonnen grünen Wasserstoff mittels des sogenannten PEM-Elektrolyseverfahrens. Dabei wird Wasser durch elektrischen Strom in Wasserstoff und Sauerstoff (Elektrolyse) gespalten. Betrieben wird die Wunsiedler Anlage ausschließlich mit Wind- und Solarenergie und erzeugt damit grünen Wasserstoff.

Die Anlage wird zusätzlich netzdienlich betrieben. Das heißt, sie hilft die wechselnde Verfügbarkeit der regenerativen Energien aufzufangen. Das ist umweltschonend und wirtschaftlich gleichermaßen: Grüner Wasserstoff kann als alternativer Brennstoff Heizkessel und Blockheizkraftwerke anfeuern oder die fossile Rohstoffbasis der Chemieindustrie ersetzen. Zudem lässt sich grüner Wasserstoff in Strom und Wärme umwandeln.

Wasserstoff ist besonders in der Industrie ein wichtiger Energieträger. Die Inbetriebnahme der Wasserstofferzeugungsanlage soll Mitte 2022 erfolgen. Gebaut wird sie von Siemens Smart Infrastructure für die Projektgesellschaft WUN H2 GmbH. Die UmweltBank übernimmt den Anteil der Kreditfinanzierung des Projekts.

Wasserstoff dekarbonisiert Industrie und Verkehr

Der von WUN H2 produzierte Wasserstoff soll den Bedarf von regionalen Betrieben decken. Dadurch entfallen lange Transportwege per Lkw, die bislang nötig waren, um Wasserstoff in die Region zu bringen. Außerdem trägt das Projekt damit zur industriellen Dekarbonisierung bei. Ein wichtiger Faktor, denn Deutschland will bis 2050 treibhausgasneutral sein. Die Dekarbonisierung der Industrie ist dafür zentral. Geplant ist auch eine öffentliche Wasserstofftankstelle für LKW und Busse. Mit diesem Modell hat die Wunsiedler Anlage Leuchtturmcharakter, weil sie die erneuerbare Energie der Region sowohl für die Mobilität als auch für die Industrie zur Verfügung stellt.

Im Betrieb setzt die Anlage darüber hinaus Wärme frei, die in das Wunsiedler Wärmenetz eingespeist wird. Damit folgt auch die Wasserstofferzeugungsanlage dem Wunsiedler Weg. Denn statt die produzierte Wind-, Solar- und Bioenergie über die bundesweite Börse zu verkaufen, haben die Stadtwerke Wunsiedel eine eigene Drehscheibe für den örtlichen Stromhandel eingerichtet. Dort kaufen sie die Energie aus den lokalen Anlagen ein und verkaufen sie an Kunden rundum Wunsiedel.

Die Stadt Wunsiedel ist entschlossen, den eingeschlagenen Weg hin zu einer dezentralen, klimaneutralen Energieversorgung weiterzugehen. Der Erfolg gibt ihr Recht.