Frau Langer, Sie kommen eigentlich aus der Werbebranche. Was war der Auslöser für Sie, sich für Nachhaltigkeit und eine bessere Welt zu engagieren?
Das ist schnell erklärt. Ich bin Pfarrerstochter und meine Eltern waren sehr politisch eingestellt. Bei uns kam das mit der Muttermilch, dass man sich engagieren muss. Ich war in der Kirche aktiv als Jugendgruppenleiterin. Dadurch habe ich relativ früh gelernt, Teams zu führen, und das war echt spannend. Danach bin ich in die Werbung gegangen, weil ich dachte: Genug demonstriert, genug engagiert, jetzt mache ich mal etwas, das Spaß macht. Meine Eltern waren verzweifelt und es war im Rückblick vielleicht wirklich die reinste Trotzreaktion. Ich war immer politisch engagiert, aber ich wollte eben auch Spaß haben. Mit der Geburt meiner Kinder hat mich das Gewissen wieder eingeholt und ich habe Utopia gegründet.
Sie haben den Begriff „Generation“ neu geprägt. Sonst haben wir ja immer über Nachhaltigkeit geredet. Aber Nachhaltigkeit ist ein Unwort geworden und es will eigentlich keiner mehr hören. „Generation“ sagt in etwa das Gleiche aus, aber mit einem Begriff, der nicht so verbraucht ist.
Der Begriff „Generation“ hat eine ganz andere Emotion. Es hat mich sehr berührt, dass ich zehn Jahre mit Utopia Nachhaltigkeit thematisiert habe, das Wort aber niemanden bewegt. Jetzt sage ich nur „Generation“ und die Menschen fühlen sich sofort persönlich angesprochen. Deswegen hat das auch in der Politik so eine Wirkung, weil die Leute fragen: „Warum gab es das vorher nicht?“ Es gibt für alles eine Lobby, aber nicht für Generationen-Gerechtigkeit. Deshalb werden wir in der Politik sehr ernst genommen. Das Bedürfnis nach einer langfristigen Vision und Planung, das die Menschen gerade spüren, ist in dem Wort schon enthalten, ohne dass wir viel erklären müssen.
Claudia Langer, 53, stammt aus Bayern und lebt seit 2017 in Berlin. Sie ist Mutter dreier Kinder. Sie kommt ursprünglich aus der Werbebranche und führte von 1992 bis 2004 ihre eigene Agentur „Start“ in München. 2007 gründete sie Utopia, das mittlerweile größte Nachhaltigkeitsportal in Europa. Nach dem Verkauf 2015 setzte sie ihre Aktivitäten um das 2013 veröffentlichte „Generationen-Manifest“ fort und gründete 2017 die „Generationen Stiftung“, eine überparteiliche Interessenvertretung der kommenden Generationen.
Wenn man die zehn Forderungen des Generationen-Manifests liest, dann kann diese eigentlich jeder unterschreiben. Da gibt es kaum etwas, bei dem ein Mensch denkt: Nein, das will ich nicht.
Dem kann ich so nicht zustimmen. In dem Manifest gibt es einen Umverteilungsparagrafen, der zwei Reizwörter hat: Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer. Die erzeugen viel Gegenwind. Hierfür mussten wir viel Kritik einstecken und sogar Spender sind deswegen abgesprungen. Das Wort „Vermögenssteuer“ ist in Deutschland ein Reizwort, ähnlich wie Tempolimit. Auch unsere Haltung zu Migration und Unternehmenshaftung teilen zwar viele, aber beileibe nicht alle.
Sie selbst sind Unternehmerin und jetzt politisch aktiv. Wer kann aus Ihrer Sicht am meisten bewegen, wenn es um Generationen-Gerechtigkeit geht: die Unternehmer, die Politik oder die Bürger?
Das kann nur die Politik schaffen. Meine große Utopie war ja zehn Jahre lang, dass die Unternehmen vorangehen und der nachhaltige Konsum den entscheidenden Einfluss hat. Aber die Zeit hat gezeigt, dass der Konsument kein verlässlicher Verbündeter ist. Wenn es darauf ankommt, dann kauft die Masse das günstigste Hühnchen. Diese kritische Masse von bewussten Konsumenten, die einen Druck auf die Massenhersteller ausüben kann, gibt es nicht. Das hat mich desillusioniert. Jetzt glaube ich daran, dass die Politik gestalten muss. Natürlich brauchen wir Rahmensetzungen für die Unternehmen. Die Politik braucht ein Gegenüber, das sie antreibt – und das kann nur die Zivilgesellschaft sein. Denn immer dann, wenn die Masse groß genug wurde, hat sich in den letzten Jahren die Politik bewegt.
Es gibt für alles eine Lobby,
aber nicht für Generationen-Gerechtigkeit.
Im Generationen-Vertrag soll jeder einzelne Bürger in die Pflicht genommen werden. Wie kann das konkret aussehen?
Für vernünftige Politik müssen wir Mehrheiten finden. Denn die Politik können wir nur antreiben, wenn genug Leute sagen „Ja, wir wollen das!“ und ein Signal setzen. Die Bürger müssen sich klar positionieren: Hier stehen wir beim Thema x, hier stehen wir beim Thema y. Wir sind ja kein Thinktank, sondern unsere Aufgabe ist es, Öffentlichkeit herzustellen. Wir werden über die Öffentlichkeit versuchen, das Gespräch mit der Politik zu führen.
Im Moment gibt es eine historische Angst um die eigenen Kinder. Ich kenne viele, die sagen, meine Kinder werden es schlechter haben. Ich kenne niemanden, der sagt, meine Kinder werden es besser haben. Aus der Ohnmacht und der Enttäuschung der Wähler eine Bewegung zu machen, das ist die Chance, die wir gerade haben. Nicht nur die Abgehängten politisieren sich, sondern auch die Bürger wachen langsam auf. Das ist eine gute Nachricht und eine gute Basis für unsere Arbeit. Ich bin sehr optimistisch.
Was genau hat es mit den Generationen-Dialogen auf sich?
Wir stellen uns die Generationen-Dialoge so vor, dass junge Menschen jemanden wie zum Beispiel Ernst Ulrich von Weizsäcker, interviewen. Dabei können Fragen behandelt werden wie: Was können wir von euch lernen? Was habt ihr falsch gemacht? Mit diesen öffentlichen Veranstaltungen wollen wir einen intragenerationellen Austausch schaffen. Für diesen Austausch gibt es ein großes Bedürfnis, das hat mich wirklich überrascht. Im Moment haben die Leute das Gefühl, dass die Generationen viel zu wenig miteinander reden und dass genau dieser Austausch die Basis für eine neue Solidarität untereinander sein kann.
Die Zeit hat gezeigt, dass der Konsument
kein verlässlicher Verbündeter ist.
Sie haben sich viel vorgenommen und wollen die Politik aktiv gestalten. An welchen konkreten Zielen lassen Sie sich messen?
Für uns gibt es ein langfristiges Ziel: dass Generationen-Gerechtigkeit im Grundgesetz steht. Und wir haben ein mittelfristiges Ziel – eine Generationen-Bilanz bei der Gesetzgebung. Es gibt bei jedem Gesetz eine Folgeabschätzung, das heißt, dass schon während der Erarbeitung abgeschätzt werden muss, welche Folgen daraus ökologisch oder sozial resultieren. Allerdings gibt es bisher noch keine langfristige Generationen-Bilanz. Darum werden wir jeden neuen Gesetzesentwurf prüfen und unsere Bilanz erstellen. Darin gibt es dann eine Bewertung: „generationentauglich“ oder „generationenschädlich“. Wenn wir den Entwurf problematisch finden, dann gibt es sofort einen Gegenvorschlag.
Sie retten seit Jahren die Welt. Wird das nicht auf Dauer langweilig?
Da hat man immer mal wieder einen totalen Durchhänger, weil es einfach anstrengend ist. Aber ich kann nicht anders. Ich habe auch nach dem Verkauf von Utopia erst gedacht, jetzt soll es jemand anderes machen. Aber ich kann einfach nicht Nachrichten gucken ohne das Gefühl: „Da müssen wir doch was tun!“ Meine Altersgruppe hat die Kontakte zu Politikern, zu Leuten, die in der Gesellschaft was zu sagen haben, zu den Medien. Wir wollen eine Plattform schaffen, auf der sich dann auch die Jungen bewegen können, und so ein Türöffner für die nächste Generation sein. Das ist meine Mission. Ich möchte meine Stiftung ja auch irgendwann an die kommende Generation übergeben.
Vielen Dank für das interessante Gespräch, Frau Langer.
Für eine bessere Zukunft
Das Generationen-Manifest wurde erstmals 2013 veröffentlicht und umfasst zehn Forderungen an die Politik zu Frieden, Klima, Bildung, Armutsbekämpfung, Gerechtigkeit, Unternehmenshaftung, Migration, Digitalisierung, Müll, Generationen-Gerechtigkeit. Die Erfüllung dieser Forderungen soll dazu beitragen, kommenden Generationen eine lebenswerte Zukunft zu sichern. Das Manifest wurde mittlerweile von mehr als 220.000 Menschen unterzeichnet.
www.generationenmanifest.de
Die Generationen Stiftung wurde 2017 von Claudia Langer gegründet und setzt sich in der Politik für Generationen-Gerechtigkeit ein. So stellte die Stiftung im September 2017 das Generationen-Manifest in einer Bundespressekonferenz vor. Außerdem stehen die Vertreter und wissenschaftlichen Experten der Stiftung im regen Austausch mit Politikern aller Parteien, erarbeiten Lösungsvorschläge und bringen die Generationen in den Dialog.
www.generationenstiftung.com
Warum die UmweltBank die Generationen Stiftung unterstützt, erklärt Vorstandssprecher Jürgen Koppmann im Kurzinterview:
Sicher ist die Politik gefragt. Aber will sie das überhaupt?. Da sind große Zweifel im Raum. Die Lobbys haben einfach zuviel Einfluss auf die Politik, was m.M.ein Unding ist. Und da geht 3s schon weiter. Die große Masse würde sehr wohl lieber nachhaltig konsumieren. Aber wer kann sich die viel höheren Preise denn leisten bei Minilohn und Minirente. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Das ist richtig!
Derzeit regiert nur der internationale, renditegeile Raubtierkapitalismus.
Er beutet die Erde und die Menschen aus, ohne Rücksicht.
Deshalb muss ein Umdenken auch in der Lehre stattfinden.
Ich bin gerade zufällig auf diese Seite gekommen, es macht mich nachdenklich, ja, ich bin nicht mehr der Jüngste, 70 Jahre. Kann nicht alles gut finden, aber unsere jetzige Generation hat bis jetzt immer aus dem Vollen geschöpft, wer hat da gefragt wie es denn einmal unseren Kindern und Enkelkindern gehen wird! Ich werde mich wohl bei ihnen noch öfter informieren, machen sie Frau Lange weiter so! Toll.