Der Tweet der Kölner Abiturientin Naina sorgte für viel Aufsehen: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen“, twitterte sie im Jahr 2015. Politiker_innen aller Couleur waren sich damals einig: Eine lebenspraktischere Wissensvermittlung an den Schulen muss her. Doch was hat sich seitdem geändert?

Offensichtlich nur wenig. Zwar findet sich finanzielle Bildung in den Rahmenlehrplänen der Schulen in einzelnen Bundesländern, aber längst nicht in allen. Und die Ergebnisse der aktuellen Jugendstudie des Bankenverbands sind alarmierend: Die Befragung zu Wirtschafts- und Finanzthemen zeigte eklatante Wissenslücken bei den 14- bis 24-Jährigen. Zwei Drittel (68 Prozent) gaben an, in der Schule „nicht so viel“ oder „so gut wie nichts“ über Wirtschaft und Finanzen gelernt zu haben; 77 Prozent plädierten für ein eigenes Schulfach „Wirtschaft“ in allen Bundesländern. Auch eine Umfrage im Auftrag der Wirtschaftsauskunftei Schufa ergab, dass Jugendliche sich mehr Finanzbildung wünschen.

Warum mangelnde finanzielle Bildung so problematisch ist:

  • Verschuldung: Smartphone, Kleidung und noch einiges mehr: Bereits Jugendliche laufen Gefahr, in eine Schuldenfalle zu tappen. Shoppen ist oftmals eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen und ein Smartphone häufig ein Muss. Weil viele aber den Umgang mit Geld nicht gelernt haben, schätzen sie ihre finanziellen Möglichkeiten falsch ein. Ein weiteres Problem: Was Menschen in jungen Jahren nicht beherrschen, bekommen sie womöglich auch später nicht in den Griff.
  • Rente: „Denn eins ist sicher: Die Rente“, plakatierte der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) 1986 im Wahlkampf. Die Rente ist sicher – viele Deutsche haben das verinnerlicht. Doch inzwischen steht fest: Nicht zuletzt wegen des demografischen Wandels wird die gesetzliche Rente nicht ausreichen, um im Lebensabend finanziell gut über die Runden zu kommen. Das bedeutet, dass jede und jeder so früh wie möglich fürs Alter vorsorgen sollte.
  • Sparbuch: Das gute alte Sparbuch ist immer noch beliebt – allerdings völlig zu Unrecht. Lange Zeit galt es als sichere Geldanlage. Inzwischen verliert das Geld aufgrund der Inflation jedoch in dem Moment an Wert, in dem Sparer_innen es auf dem Konto haben. Und Zinsen? Früher waren es mal im Schnitt fünf Prozent pro Jahr. Heute wirft das Sparbuch keine oder kaum noch Rendite ab.

Finanzielle Bildung von Kindern und Jugendlichen verbessern – so könnte es gehen

Finanzbildung sollte deutschlandweit in den Lehrplänen der Schulen verankert sein. „Es geht darum, junge Menschen so früh wie möglich an ein selbstbestimmtes Verbraucherverhalten heranzuführen“, sagt Andrea Brinkmann, Vorständin der Stiftung Deutschland im Plus. Schulfachübergreifend und oft auch projekthaft könnten Inhalte nah am Leben vermittelt werden. „Finanzunterricht muss an der Erfahrungswelt der Kinder anknüpfen“, sagt Prof. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA). Er nennt ein Beispiel: Alle Welt redet derzeit über „nachhaltige Geldanlagen“. Warum das nicht in Zusammenhang mit der Fridays-for-Future-Initiative diskutieren? Ein anderes Beispiel: Junge Leute sind fasziniert vom Bitcoin. „Warum daran nicht die Rolle von Geld in einer modernen Wirtschaft erörtern?“

Mehr über Aktien informieren

Viele Deutsche haben immer noch Vorbehalte gegenüber Aktien – eine Haltung, die Erwachsene oftmals an ihre Kinder weiterreichen. Hier muss es mehr Aufklärung in Schulen über Sinn und Nutzen von Aktien geben. Wer sein Vermögen langfristig aufbauen möchte, sollte keine Angst vor Wertpapieren haben. Das ist wichtig für alle mittel- und langfristigen Sparziele – und nicht zuletzt für die Altersvorsorge.

Lernen mit kindgerechten Unterrichtsmaterialien. | Foto: WERTvoll macht Schule

Schon in der Grundschule anfangen

Bereits Kinder sollten Finanzentscheider sein und in der Grundschule grundlegende Werte- und Finanzkompetenzen vermittelt bekommen. „Für eine Initiative Finanzbildung muss man nicht auf ausgebildete Finanzlehrer warten“, betont Heuser. Fachleute gebe es im Lehrerkolleg einer Schule selbst, in der Elternschaft, im Förderverein. „Experten aus solchen Reihen könnten für ein paar Stunden im Rahmen eines Unterrichtsfachs oder für eine Arbeitsgemeinschaft am Nachmittag zur Verfügung stehen.“ Unterrichtsmaterialien gibt es etwa über die gemeinnützige Bildungsinitiative WERTvoll macht Schule, die auch von der UmweltBank unterstützt wird.

Beispiele für Angebote zur Finanzbildung von Kindern und Jugendlichen:

  • Die Gruppe Deutsche Börse hält unterschiedliche Angebote für Finanzbildung bereit – unter anderem für Vorschulkinder und Jugendliche. So gibt es etwa das Vorlesebuch „Marktplatz der Tiere“.
  • Finanztip Schule ist ein Angebot der Bildungsinitiative Finanztip Stiftung. Zu erhalten sind Unterrichtsmaterialien, die sich vor allem für einen Einsatz in wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fächern ab der 9. Jahrgangsstufe von Gymnasien, Gesamtschulen, Wirtschaftsschulen und berufsbildenden Schulen eignen. Es ist aber offen für alle Schulformen und Fächer.
  • Auch die Stiftung Deutschland im Plus bietet Workshops – für Eltern und für Lehrkräfte.
  • FinanzFührerschein ist ein Projekt der Schuldnerhilfe Essen, das Ziel: die Finanzkompetenz junger Menschen zu stärken.
  • Auch viele Lehrer setzen sich für das Thema Finanzbildung in Schulen ein. Ein Beispiel hierfür sind Kristoffer Reul und Julian Kleij, die gemeinsam das Buch „Finanzbildung 1×1“ mit einem dazugehörigen Arbeitsheft aufbereitet haben. Dies soll sowohl Lehrer_innen eine Hilfestellung für den Unterricht geben, als auch den Kinder selbst als einfacher Einstieg in das Thema Finanzen dienen.