Wenn man sich die Berichterstattung über Banken, Versicherer oder Fondsgesellschaften anschaut, dann stößt man schnell auf viele Probleme in der Finanzwelt. Ein paar Beispiele: Mehrere Banken sind in CumEx verwickelt. Dies ist ein Steuerraub mit einer milliardenschweren Beute auf Kosten des Staates. Noch vor Kurzem musste mit der Nord/LB erneut eine Landesbank mit Milliarden gerettet werden. Mittlerweile belaufen sich die direkten Kosten für die Bankenrettungen seit Ausbruch der Finanzkrise in Deutschland auf über 70 Milliarden Euro. Einige Pensionskassen und damit die Altersvorsorge vieler Menschen befinden sich in massiven Problemen. Es werden erwartete Rentenleistungen zusammengekürzt. Immer wieder werden Menschen falsche und überteuerte Produkte zum Kauf empfohlen, weil die Vertriebler mehr auf ihre Provisionen schauen als auf die Interessen der Kundschaft. Und die Finanzbranche finanziert eine Erderwärmung von vier Grad. Ende 2019 war der Börsengang der saudi-arabischen Ölfirma Saudi-Aramco der größte der Welt. So kann es nicht weitergehen.

Neuaufstellung der Finanzwelt

Es ist deshalb wichtig, die Finanzwelt umfassend neu aufzustellen. Die Finanzwirtschaft muss vom Problemverursacher zum Problemlöser werden. Dies gilt gerade bei so immensen Herausforderungen wie dem Klima- und Umweltschutz. Wenn Banken, Fonds und Versicherer sich nicht bald flächendeckend aus den klimaschädlichen Aktivitäten zurückziehen, ist die Klimakatastrophe unausweichlich. Denn Investitionen, aber auch Finanzentscheidungen im Allgemeinen wirken Jahrzehnte nach. Sie sind dadurch eine entscheidende Stellschraube für saubere Mobilität, umweltfreundlicheren Strom und nachhaltigere Landwirtschaft.

Gelingt keine Trendumkehr, besteht entweder die Gefahr, dass die carbon bubble noch weiterwächst und Unsummen bei ihrem Platzen verschlingen wird, oder wir werden den Kampf gegen die Klimakrise verlieren. Schon aus Eigeninteresse sollte also die Finanzbranche durchweg zum Finanzier nachhaltiger Projekte werden. Sie sollte sinnvolle Innovationen unterstützen und der Gesellschaft gute Angebote machen, an dem Erfolg dieser Ideen zu partizipieren. Gerade der öffentliche Finanzsektor sollte hier eine Vorbildrolle einnehmen. Die Politik wiederum muss den entsprechenden Rahmen setzen. So braucht es verbindliche Vorgaben, damit Investoren anhand standardisierter und aussagekräftiger Indikatoren entscheiden können.

Solche Fortschritte wären von enormer Bedeutung. Allerdings würde dies andere Veränderungen am Finanzmarkt nicht obsolet machen. Das Gegenteil ist der Fall: Eine reine Begrünung der Märkte überwindet nicht die Dysfunktionalität des Sektors. Es ist zu viel Anlagekapital auf der Suche nach Rendite unterwegs. Dadurch sind derzeit die Risikoprämien insgesamt viel zu niedrig, um eine wirkliche Lenkungswirkung bezüglich der Investitionen zu erzeugen. Die Begrünung der Finanzwirtschaft darf aus diesem Grund keine Ausrede sein, die Brot-und-Butter-Themen am Finanzmarkt liegen zu lassen.

Die Kundenwünsche sollen das zentrale Steuerungsprinzip in der Marktwirtschaft sein, nicht die Anbieterinteressen.

Gerhard Schick

Vorstand der „Bürgerbewegung Finanzwende“

Finanzen mit mehr Verantwortung

Damit verbunden ist eine komplett andere Verantwortungshaltung, die in der Finanzbranche nötig wäre. Es sind beispielsweise Haftungsprinzipien durchzusetzen. Dazu ist unter anderem die Macht einiger Akteure zu reduzieren. So zählt die Deutsche Bank noch immer zu den systemrelevantesten Banken der Welt. Im Notfall müsste sie wohl noch immer vom Steuerzahler gerettet werden. Das zentrale Prinzip der Marktwirtschaft – die Haftung für verursachte Schäden als Gegenstück zur privaten Gewinnerzielung – muss endlich wiederhergestellt werden. In diesem Zusammenhang müssen viele Banken auch endlich mehr haftendes Eigenkapital vorhalten, damit sie für Krisen besser gewappnet sind.

Darüber hinaus müssen immanente Interessenskonflikte verhindert werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Märkte sollten mit dem folgenden Ziel vor Augen ausgestaltet werden: Die Anbieter sind gezwungen, gute Leistungen für die Kunden anzubieten. Die Kundenwünsche sollen das zentrale Steuerungsprinzip in der Marktwirtschaft sein, nicht die Anbieterinteressen. Doch genau dies ist beispielsweise beim Vertrieb von Finanzprodukten in vielen Bankfilialen immer noch die gängige Praxis. Es braucht nicht noch mehr Regulierung und Zettel in den Banken, sondern an einigen Stellen ist genau das Gegenteil nötig. Es braucht dafür harte, klare und einfache Vorgaben, die wirklich Wirkung entfalten. Dazu zählt ein Verbot eines Finanzvertriebs auf Grundlage von Provisionen und anderen monetären Anreizen.

Der Anknüpfpunkt von Finanzwende 

Die hier skizzierten Veränderungen stehen als Beispiele für die große Aufgabe einer Finanzwende. Sie kann nur gelingen, wenn die Regeln am Finanzmarkt nicht von den Lobbyisten diktiert werden. Dazu braucht es ein starkes Gegengewicht zu den großen Interessenverbänden von Banken, Fonds und Versicherungen. Finanzwende baut genau ein solch starkes Gewicht auf, welches das Kräfteverhältnis zwischen Gesellschaft und Finanzindustrie wiederherstellen will. Heute bestimmt viel zu oft die Finanzlobby, was in den Gesetzen steht, oft zum Vorteil weniger und zum Nachteil vieler. Das muss sich im Sinn einer nachhaltigeren Welt dringend ändern. Dafür treten wir als unabhängige Stimme zusammen mit immer mehr Menschen an.