Die UmweltBank ist dieses Jahr 25 Jahre alt geworden und seit ihrer Gründung hat sich die Finanzbranche weiterentwickelt. Was hat sich in den letzten 25 Jahren beim Thema Frauen und Finanzen getan?
Claudia: Schaut man auf die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, also die Gender Pay Gap, so ist diese von 2006 bis heute insgesamt um 6 Prozentpunkte gesunken: von 24 % auf 18 %. Das ist immer noch zu hoch. Es bewegt sich etwas bei den Banken und im Finanzsektor generell, aber so richtig strukturell noch nicht. Es ist mehr Aufmerksamkeit für das Thema da – das ist gut und ein wichtiger erster Schritt. Aber es gibt auch noch einiges an Potential.
Gabi: Wir Frauen sind heutzutage so gut ausgebildet wie nie zuvor. Wir erobern männlich dominierte Arbeits- und Lebensbereiche und beweisen uns dort. Und vermehrt nehmen Frauen auch ihre Geldanlage selbst in die Hand und verlassen sich in Finanzfragen nicht mehr auf den Partner oder die Empfehlung eines Beraters. Sie informieren sich und entscheiden selbst. Der überwiegenden Mehrheit gerade junger Frauen ist finanzielle Unabhängigkeit sehr wichtig. Sie wollen ihr Geld mit Sinn anlegen und in Produkte, die sie verstehen.
Erste Entwicklungen sind also sichtbar, aber Finanzbildung für Frauen bleibt weiterhin wichtig. Warum sollten sich denn vor allem Frauen mit dem Thema Finanzen beschäftigen?
Claudia: Wir Frauen verdienen im Schnitt 18 % weniger Gehalt pro Stunde. Das multipliziert sich mit der Arbeit in Teilzeit, welche nach wie vor hauptsächlich Frauen nehmen. Auch das Thema Elternzeit ist ein Faktor. Der Väterreport vom Familienministerium zeigt, wie viele Eltern die Elternzeit gerne paritätisch aufteilen würden und wie viele es dann auch tun. 30 % der jungen Eltern hätten den Wunsch, aber nur 6 % setzten es um. Das ist nach wie vor sehr wenig. Und daran knüpfen die weiteren Themen an. Kind und Job sind gut kombinierbar mittlerweile, Karriere und Teilzeit sind ein ganz anderes Thema. Das heißt, die fetten Jahre kommen erst viel später. Das ist gar nicht am Anfang, sondern dann, wenn die Karriere sich entwickelt. Am Gehalt hängt die Rente und die Möglichkeit, privat vorzusorgen. Und gleichzeitig werden Frauen älter als Männer – wir müssen also mit weniger Geld mehr Lebensjahre abdecken. Das ist der Grund, warum wir uns mehr um unser Geld kümmern müssen als Männer.
Der überwiegenden Mehrheit gerade junger Frauen ist finanzielle Unabhängigkeit sehr wichtig. Sie wollen ihr Geld mit Sinn anlegen und in Produkte, die sie verstehen.
Jetzt hast du die Themen Rente und Vorsorge schon angesprochen. Wir als UmweltBank haben dazu verschiedene Angebote. Was genau können wir den Kundinnen denn an die Hand geben oder welche Produkte sind relevant, wenn sie vorsorgen möchten – für sich, für Kinder, für die Familie?
Gabi: Wir stellen fest, dass oft eine Hemmschwelle da ist, Gelder vom Tagesgeldkonto oder vom Sparkonto, das ja momentan gar nicht rentabel ist, in Wertpapiere umzuschichten. Denn oft fehlt die Erfahrung mit Wertpapieren und die Risiken werden als zu hoch eingeschätzt. Ein guter Einstieg in den Wertpapierbereich sind Fonds. Damit investieren Anlegerinnen nicht in eine einzelne Aktie oder eine Anleihe, sondern in ein ganzes Bündel von Wertpapieren. Der große Vorteil eines Fonds besteht in der Risikostreuung. Daher sind Fonds ein gutes Basisinvestment – entweder mit einem Einmalbeitrag oder mit monatlichen bzw. vierteljährlichen Beträgen im Rahmen eines Fondssparplans. Sie eignen sich sowohl für den Vermögensaufbau als auch für die private Altersvorsorge.
Claudia, hast du Tipps oder Erfahrungen aus der Arbeit im Female Finance Forum, wie man mit dem Thema Angst vor Wertpapieren und der Börse umgehen kann?
Claudia: Ja. Was ich eine sehr schöne Statistik finde, ist, dass wir Frauen tatsächlich im Schnitt die besseren Investorinnen sind. Das überrascht die meisten Frauen. Wir sind nicht risikoscheu, sondern wir sind risikobewusst. Das heißt, wir wollen verstehen, was wir tun, bevor wir es tun. Die Männer sagen eher, ich mache das jetzt mal und probieren aus. Bei diesem Vorgehen sind viele Fehler inkludiert und das kostet Rendite über die Zeit. Frauen brauchen einen Schritt länger, weil sie wirklich verstehen wollen, in was sie investieren.
Was bei meinen Teilnehmerinnen auch sehr gut funktioniert, ist, dass sie sich nicht allein fühlen. Deswegen mag ich Gruppenformate gerne. Oder ich fordere sie auf: „Such dir eine Finanzfreundin“. Sport funktioniert besser, wenn ich mich mit der Freundin verabrede, weil ich dann motivierter bin. Das ist bei Finanzen genauso. Es hilft niemandem, wenn wir nicht über Geld reden. Das Tabu ist völlig kontraproduktiv. Lasst uns über Geld reden, lasst uns das normalisieren. Wir müssen keine konkreten Zahlen nennen. Es ist völlig egal, ob ich jeden Monat 25 € in einen Aktienfonds stecke oder 250 € – das Konzept ist dasselbe. Es hilft einfach, sich zu verabreden und auszutauschen.

Die Ökonomin Claudia Müller hat mehrjährige internationale Arbeitserfahrung u. a. bei der Deutschen Bundesbank, wo sie für das Thema „Green Finance“, also nachhaltige Geldanlage, verantwortlich war. 2017 hat sie das Female Finance Forum gegründet. Darin bringt sie vor allem Frauen den Umgang mit Geld und Finanzprodukten bei. Das Female Finance Forum ist eine Gemeinschaft, in der sich Frauen austauschen, gegenseitig unterstützen sowie von- und miteinander lernen. Seit Juni 2021 ist Claudia Müller Mitglied im Umweltrat der UmweltBank, dem ökologischen Kontrollgremium der Bank.
Fonds können also eine gute Option für den Einstieg sein. Wenn ich noch gar nicht weiß, welchen Fonds ich kaufen soll, wie kann ich dann vorgehen?
Gabi: Die Entscheidung zu treffen, in Fonds zu investieren, ist der erste Schritt. Aber dann ist die Frage, welche sind für mich die richtigen? Bei der Auswahl gilt es, verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Für unsere Kundinnen ist die Nachhaltigkeit des Investments sehr wichtig. Hier geht es um die persönliche Präferenz, zum Beispiel den Ausschluss von fossilen Energien und Atomkraft. Aber auch darum, mit ihrem Investment ganz bewusst einen positiven Beitrag zu leisten, z. B. zum Klimaschutz oder auch zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit. Aber die wesentliche Überlegung, die davor kommt, ist die Frage nach der persönlichen Risikoneigung. Denn davon ist abhängig, welche Art von Fonds oder welche Mischung verschiedener Fondsarten geeignet ist. Wir haben Musterportfolios für Einsteigerinnen und Fortgeschrittene zusammengestellt – von solide bis offensiv. Sie bilden die Risikoneigung der Kundin ab. Die Portfolios bestehen ausschließlich aus nachhaltigen Aktien-, Misch- und Rentenfonds. Die Mischung und Gewichtung der einzelnen Fonds entspricht dem gewählten Risikoprofil. Damit sind die Musterportfolios ein guter Einstieg – zur Orientierung oder auch, um direkt einzusteigen.
Wie sieht es konkret beim Thema Rente aus? Reicht es, wenn ich zusätzlich zur gesetzlichen Rente in meinen Fondssparplan etwas einzahle bzw. überhaupt in Fonds investiere oder sollte ich noch mehr tun?
Claudia: Dafür sollte man zunächst wissen, dass unsere Altersvorsorge in Deutschland auf drei Säulen beruht: gesetzliche Rente, betriebliche Rente und die private Vorsorge. Idealerweise sollten alle drei Säulen abgesichert sein. Das heißt, wenn ich selbstständig und nicht über ein Versorgungswerk abgesichert bin, dann fehlt mir die Grundsicherung, denn gesetzliche und betriebliche Rente habe ich dann nicht. Daher sollte ich unbedingt nach anderen Produkten schauen, die mir diesen Sicherheitsbaustein liefern. Und auch, wer wegen Teilzeit oder aus anderen Gründen wenig in den ersten beiden Säulen hat, sollte diese noch aufstocken. Wenn ich Vollzeit erwerbstätig bin und den Maximalbetrag einzahle, dann brauche ich in diese Töpfe nicht noch mehr einzuzahlen, sondern dann ist es wichtiger, privat Vermögen aufzubauen.
Das Problem in Deutschland ist, dass zwei der drei Säulen direkt an unsere Erwerbstätigkeit gekoppelt sind. Das heißt bei Frauen in Teilzeit-Tätigkeit: Sowohl die erste als auch die zweite Säule sind klein. Ich würde immer auf jeden Fall den Arbeitgeber fragen, ob er irgendwelche Möglichkeiten der betrieblichen Altersvorsorge bietet. Diese sind steuerlich und vom Arbeitgeber bezuschusst, das lohnt sich in den meisten Fällen. Und die dritte Säule sollte nicht vergessen werden! Sie ist essenziell notwendig, egal, was in den anderen Säulen passiert.
Außerdem würde ich dafür plädieren, dass wir nicht von Altersvorsorge sprechen, sondern von Altersvorfreude (lacht).
Außerdem würde ich dafür plädieren, dass wir nicht von Altersvorsorge sprechen, sondern von Altersvorfreude.
Nun haben wir schon viel über das Thema Finanzen im Allgemeinen gesprochen. Ein wichtiges Thema bei der UmweltBank ist auch die Nachhaltigkeit. Claudia, du bist seit Sommer 2021 Umwelträtin. Was war deine Motivation, dich in diesem Nachhaltigkeitsgremium zu engagieren?
Claudia: Mir liegt das Thema nachhaltige Geldanlage am Herzen. Zu der Zeit, als ich bei der Bundesbank gearbeitet habe, hörte ich zum ersten Mal von nachhaltigen Finanzen, das war mir vorher kein Begriff. Und das fand ich genial. Leichter kann man sich für Nachhaltigkeit nicht einsetzen, als einmal die Finanzen umzukrempeln und dann läuft es automatisch. Es ist einmal ein bisschen Aufwand, weil man sich damit auseinandersetzen muss, aber dann nie wieder.
Und als die UmweltBank mich gefragt hat, ob ich im Umweltrat mitmachen möchte – und zwar mit dem Schwerpunkt Geschlechtergerechtigkeit – habe ich sofort zugesagt. Die UmweltBank ist ein etablierter Player im Bereich der nachhaltigen Banken und ich hätte nicht bei jeder Bank zugesagt, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, es wäre Greenwashing. Es war für mich also keine Frage.
Nach ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau und dem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeitsmanagement ist Gabriele Glahn-Nüßel 1998 zur UmweltBank gekommen. Dort verantwortet sie den Wertpapierbereich, den sie maßgeblich aufgebaut hat.

Du hast das Nachhaltigkeitsziel Nr. 5 zur Geschlechtergleichheit angesprochen und dass du Patin für dieses Ziel bist. Wie wird es in der UmweltBank umgesetzt?
Claudia: Was ich vor allem gesehen habe und was für mich die Glaubwürdigkeit massiv stärkt, ist, dass die UmweltBank intern anfängt. Es ist das eine, welche Erwartungen ich an die Unternehmen stelle, in die ich investiere. Da ist es immer leicht, mit erhobenem Zeigefinger rumzulaufen. Aber ich muss auch bei mir selbst anfangen. Und das tut die UmweltBank.
Gabi: Geschlechtergerechtigkeit ist uns ein großes Anliegen, es steht bei der UmweltBank permanent im Fokus. Wenn wir die Bank insgesamt betrachten, dann ist das Verhältnis von Frauen und Männern ca. 50/50. Wenn wir uns die Führungskräfte anschauen, dann sind schon 45 % davon weiblich. Das ist eine super Quote und gegenüber dem letzten Jahr eine Steigerung (von 43 % in 2020 auf 45 % in 2021). Die Geschäftsleitung ist zu 30 % weiblich und im Umweltrat sind 40 % Frauen. Der Aufsichtsrat ist paritätisch besetzt. In der Kundenbetreuung arbeiten sogar 60 % weibliche Mitarbeitende. Da haben die Kundinnen und Interessentinnen eine Ansprechpartnerin auf Augenhöhe. Jemanden, der ihre Sprache spricht und ihre Situation besser nachvollziehen kann, z. B. als berufstätige Mutter.
Hier erfahren Sie noch mehr:
www.umweltbank.de/frauenpower
www.umweltbank.de/musterportfolio
Liebe Finanzfreundinnen, lasst uns über Prozentrechnen reden:
„so ist diese von 2006 bis heute insgesamt um 6 % gesunken: von 24 % auf 18 %“
Mathematisch korrekt ist diese um 25% gesunken oder um 6 %-Punkte.
Hallo Gordon,
vielen Dank für den Hinweis, wir haben die Stelle entsprechend angepasst.
Viele Grüße