Das Female Finance Forum soll ein Raum für alle Frauen sein, die sich rund um das Thema Geld austauschen möchten. Brauchen Frauen sowas überhaupt? Sind Finanzen nicht für alle gleich?
Ganz klar: Finanzen funktionieren für alle gleich. Was für mich aber den Ausschlag gegeben hat, ein Finanzforum für Frauen zu gründen, war meine Erfahrung aus gemischten Workshops: Ich habe immer wieder erlebt, dass sich ganz schnell die Stereotypen herauskristallisieren. Da sagt ein Mann „Ach, Aktien, das weiß doch jeder.“ Und von dem Moment an, stellt keine Frau mehr eine einzige Frage. Es gibt Studien, die zeigen, dass Frauen schon in der Schule in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) eingeschüchtert sind, wenn Jungs mit im Klassenraum sind. Darum habe ich gesagt: Männer raus.
Finanzen ist immer noch ein sehr stark männlich dominiertes Feld. Es ist richtig schwierig, eine Beraterin zu finden oder sich mit einer Freundin darüber auszutauschen. Im Female Finance Forum soll das möglich sein. Frauen sollen sich hier gegenseitig motivieren und informieren.
Was unterscheidet denn die finanzielle Situation von Frauen im Vergleich zu Männern? Welche Besonderheiten sollten Frauen bei ihrer Finanzplanung beachten?
Da gibt es zwei wichtige Aspekte: die höhere Lebenserwartung und das niedrigere Durchschnittsgehalt. Gerade Letzteres wirkt sich auf unsere Rente aus: Die Durchschnittsrente von Männern lag in Deutschland 2016 bei 1.700 Euro, die Durchschnittsrente von Frauen nur bei 880 Euro.
Elternzeit, Pflegezeit, all das hängt in über 90 Prozent der Fälle hauptsächlich an Frauen. Da ist es wichtig, sich des Unterschieds zwischen arbeiten und erwerbstätig sein, bewusst zu werden. Frauen sind durch Aufgaben in der Familie grundsätzlich weniger und viel häufiger nur in Teilzeit erwerbstätig. Trotzdem arbeiten sie viel. So entstehen die Lohn- und die Rentenlücke. Diese unbezahlte Arbeit beschränkt außerdem unsere Möglichkeiten, privat vorzusorgen und zu investieren.
Du hast das niedrige Rentenniveau von Frauen ja schon angesprochen. Insgesamt ist Altersarmut in Deutschland überwiegend weiblich. Welche Vorkehrungen können Frauen treffen, um Existenzrisiken abzusichern?
Ich kann nur dazu raten, möglichst früh mit möglichst vielen Menschen über dieses Thema zu reden, insbesondere mit dem Partner. Und auch wenn es schwerfällt, man muss einplanen, dass wir Scheidungsquoten von über 40 Prozent haben. Abgesehen davon, kann ein Ehepartner auch krank werden. Ich frage mich immer: Würde ich ein Finanzprodukt mit 40 % Ausfallquote abschließen? Vielleicht ja, aber ich würde definitiv noch andere Vorkehrungen treffen.
Die rechtliche Rahmensituation hat sich im Scheidungsfall verändert. Die Unterhaltspflicht ist längst nicht mehr so gegeben wie früher. Für diesen Fall muss man also Pläne machen. Zum Beispiel kann man Ausgleichszahlungen vereinbaren. Derjenige, der in Vollzeit arbeitet, zahlt in die Altersvorsorge des anderen mit ein. Das ist auch eine psychologische Entlastung des Hauptverdieners. Denn der muss ja für die Gegenwart und Zukunft der ganzen Familie sorgen.
Das Thema Finanzen ist nicht komplexer als jedes andere Thema, das man noch nicht kennt. Man muss sich rantasten, Barrieren abbauen und informieren.
Laut Statistiken investieren Frauen weniger und sparen auch weniger. Woran liegt das?
Wir haben schon über die Renten- und die Lohnlücke gesprochen. Es gibt dazu die Spar- und die Investitionslücke. Beides ist natürlich ein Resultat der Lohnlücke. Denn wer weniger hat, kann weniger investieren. Dazu kommen psychologische Unterschiede. Frauen möchten genau verstehen, was sie tun, bevor sie Geld anlegen. Männer sind da risikofreudiger. Wenn Männer etwas nicht verstehen, wollen sich nicht die Blöße geben, noch mal nachzufragen. Sie machen einfach erstmal. Wenn Frauen Finanzen nicht verstehen, lassen sie es bleiben. Darum investieren Frauen grundsätzlich weniger. Und genau das möchte ich verändern.
Obwohl Frauen weniger investieren, gelten sie als die besseren Investorinnen. Was machen Frauen besser, wenn sie denn investieren?
Es gibt eine alte Investorenregel: „Hin und her macht Tasche leer“. Gemeint ist, dass man versucht, durch An- und Verkäufe zu bestimmten Zeitpunkten die Rendite zu erhöhen. Genau das machen Männer viel häufiger als Frauen. Sie schauen ständig nach Deals. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass das meist in die Hose geht, alleine weil durch die häufigen Trades Kosten entstehen. Das mindert die Erträge.
Frauen tendieren dazu, zunächst alles verstehen zu wollen. Dann überlegen sie sich eine Strategie und bleiben dabei. Investorinnen demonstrieren in ihrem Anlageverhalten mehr Ruhe und Langfristigkeit. Damit fahren sie gute Gewinne ein.
Sind grüne und nachhaltige Investments bei Frauen ein Thema?
Absolut! Nachhaltige Investments sind für viele Frauen ein wichtiges Thema. Wir werden in jeder Veranstaltung danach gefragt. Frauen interessieren sich sehr für die verschiedenen Optionen wie Green ETFs und Bonds, und sie möchten auch hier verstehen, wie das funktioniert, und was die Kriterien sind. Das Bedauern ist groß, dass die nachhaltigen Investments meist noch mit recht hohen Kosten verbunden sind. Insbesondere, da nachhaltige Investments in den letzten Jahren gute Renditen erzielt haben.
Hast du Tipps für Frauen, die sich mehr mit dem Thema Geld und Investment beschäftigen möchten? Womit fängt man am besten an?
Eine ganz wichtige Grundlage ist, immer ein eigenes Konto zu behalten und für sich selber Investitionsentscheidungen treffen. Das Thema Finanzen ist nicht komplexer als jedes andere Thema, das man noch nicht kennt. Man muss sich rantasten, Barrieren abbauen und informieren. In vielen Facebook-Gruppen, wie bei uns, kann man viel lesen und lernen, und natürlich Fragen stellen. Es gibt aber auch tolle Bücher und Blogs. Wenn man einen Überblick hat, macht es irgendwann richtig Spaß, ein Portfolio aufzubauen.
Die wichtigsten Schritte dahin, sind, sofern vorhanden, zunächst Schulden ab- und einen Notfallgroschen aufzubauen. Diese eiserne Reserve sollte immer leicht zugänglich sein, also nicht fest investiert, und so hoch sein, dass man damit drei bis sechs Monate ohne Einkommen überbrücken kann. Wer nicht weiß, wie viel Geld überhaupt rein- und rausgeht, sollte über ein paar Monate ein Haushaltsbuch führen. Da tut sich vielleicht sogar noch Sparpotenzial auf, beispielsweise bei Versicherungen oder anderen Verträgen.
Wer keine Schulden hat und den Notgroschen bereits sicher auf dem Konto, kann sich mit Anlageoptionen beschäftigen. Da ist mir ganz wichtig zu betonen: Man muss nicht reich sein, um zu investieren. Sicher ist eine Immobilie keine Anlageform für jemanden, der 3.000 Euro zur Verfügung hat. Aber mit Sparplänen, Fonds und ETFs kann man schon ab 25 Euro im Monat gut anlegen. Eine Alternative für Kleinanlegerinnen können auch P2P-Plattformen sein. Hier vergeben Privatpersonen gemeinsam Kredite. In diesem Bereich gibt es übrigens ebenfalls gute Projekte mit nachhaltigem Fokus. Es mangelt also nicht an Optionen, man muss sich nur mal in Ruhe umschauen. Finanzen sind doch Teil unserer Lebensgrundlage. Und die sollte niemand aus der Hand geben.
Wir bedanken uns sehr herzlich für das interessante Gespräch.
Claudia Müller ist studierte Ökonomin (BSc in Internationaler VWL, Master in Public Policy) und hat u. a. bei Google, der Leibniz-Gemeinschaft und der Deutschen Bundesbank gearbeitet. Bei der Bundesbank war sie für das Thema „Green Finance“ im Kontext der Deutschen G20-Präsidentschaft verantwortlich. Aus dieser Position ist die Idee für das Female Finance Forum entstanden, das sie 2017 gegründet hat.
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Genau so ist es leider! Und gilt natürlich auch für die Singles. Statt sich zu informieren und zu investieren, bleibt das Geld auf dem Tagesgeldkonto liegen und wird von der Inflation gefressen. Sich in neue Themen einzuarbeiten, ist nicht einfach. Und da macht Claudia Müller mit den Seminaren und der Facebook-Gruppe einen super Job!
„Hin und Her macht Taschen leer“ hört sich toll an, ist aber falsch besonders im Fall der von Ihnen zitierten ETFs.
Denn wenn diejenigen auf einen bekanntgewordenen Aufnahme einer neuen Aktie in einen ETF schon Wochen vor der Aufnahme reagieren, verlieren die anderen ihr Geld in gleicher Größenortnung, wie diejenigen gewinnen, die auf bekanntgewordene ETF-Änderungen reagiert haben.
Und da Aktien oft in mehreren ETFs vertreten sind und dieser nur zu einem festgelegten Zeitpunkt kaufen/verkaufen muß, steigen/fallen die Kurse zu einem bekannten Zeitpunkt.
Somit ist für mich ihr Text schon eine gravierende Irreführung.
Und wenn mit einem solchen Text das hier damit nun auch losgeht, zu zeigen das Frauen die besseren Männer sind muß man die Seriosität der Umweltbank nun auch noch in Zweifel ziehen.
Lieber Herr Fuchs,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Frau Müller sagt nicht, dass Frauen besser investieren, sondern nur, dass sie – ihrer Meinung nach – bestimmte Dinge bei der Geldanlage besser machen. Auch steht das von Ihnen genannte Zitat in keinem direkten Zusammenhang mit ETFs. Unabhängig davon spiegeln die Antworten im Interview die Meinung der Interviewten und nicht unbedingt auch die Auffassung der Redaktion von Bank & Umwelt oder der UmweltBank wider.
Ihr Redaktionsteam von Bank & Umwelt
Sehr geehrter Herr Schultz,
aus dem Antworttext der hier wiedergegeben wird, komme ich jedoch zur Annahme, dass „männliche“ Investoren laut Frau Müller häufiger Transaktionen tätigen die „.. in die Hose gehen und die Erträge mindern. …“ und die „weiblichen“ Investoren langfristig investieren und „..Damit fahren sie gute Gewinne ein. ….“. Somit sollte man doch zur Ansicht kommen, dass Frau Müller in Erwägung zieht das Frauen besser (ertragreicher, im Sinne der Geld-/Kapital- Anlage) investieren.
Um meinen Text abzukürzen ist das Interview mit Frau Müller entbehrlich, bis auf den ersten Antwortsatz der ersten Frage. Alles ist relativierend formuliert und kann je nach Lesart positiv und negativ interpretiert werden.
Wenn Frau Müller wirklich etwas für die Allgemeinheit unternehmen möchte, sollte Sie sich als Lehrerin an normalen Schulen im Fach Politik und Wirtschaft engagieren. Dort fällt ihr Wissen wahrscheinlich auf „fruchtbaren“ Boden, ohne eine geschlechtliche Differenzierung.
Grundsätzlich sollte niemand in etwas investieren das er nicht versteht und noch wichtiger dessen Risiko er nicht tragen kann.
Konkrete Projektvorstellungen, wie Sie dies in der Vergangenheit in Ihrem gedrucktem Magazin (pdf. Format) und bei den neuen Veröffentlichungen durchführen, mit „echtem“ Nutzen, würden Ihren Blog qualitativ aufwerten.
Viele Grüße nach Nürnberg und einen angenehmen Start in die erste Woche im März
🙂
Herr Fuchs und Herr Wagner,
das Interview von Frau Müller finde ich alles andere als entbehrlich, sondern höchst interessant. Vor allem der alarmierende Unterschied in der Durchschnittsrente von 2016 sollte uns allen zu denken geben. Entweder weil wir selbst Frauen sind oder Mütter, Töchter oder Schwestern haben.
Stattdessen zählt für sie nur die Behauptung, Frauen seien die ‚besseren Investorinnen‘. Das zeigt, dass es wohl auf Sie zutrifft, denn warum reagieren Sie so emotional darauf? Wäre Fr. Müllers Behauptung an den Haaren herbeigezogen, könnten Sie sich entspannt zurücklegen statt empört aufzuschreien.
Wohl ist es Ihnen auch entgangen, dass es hier nicht darum geht Männer in die Schranken zu weisen, sondern darum Frauen zu stärken. Indem Ihnen Mut gemacht werden soll sich zu informieren und zu handeln und indem Ihnen lautstarke männliche Artgenossen vom Leib gehalten werden, die sich in den Vordergrund drängen. Sie beide haben ein schönes Beispiel dafür geliefert wie richtig Frau Müller mit Ihrer Initiative Female Finance Forum liegt und wie dringend wir Frauen lernen müssen uns wieder gegenseitig zu beraten und zu unterstützen (was Männer übrigens sehr gut können und auch tun).
Ganz besonders gefällt mir ‚Wenn Frau Müller wirklich etwas für die Allgemeinheit unternehmen möchte, sollte Sie…‘! Wie viel respektvoller wird unsere Gesellschaft sein, wenn wir es überwunden haben werden, dass Männer Frauen sagen, was sie zu tun und zu lassen haben. Welch schönes Klischee am Rande Sie geliefert haben!
in diesem Sinne
Viel Erfolg für weitere Unternehmungen wie die von Frau Müller!
Mein persönliches Interesse läge viel mehr darin, ob es überhaupt ethisch vertretbar ist Zinsen zu erhalten, auch wenn Geldanlagen grün sind. Stärkt das Zinseszins-System nicht die ungerechte Verteilung von Geld und sollten wir nicht in diesen Zeiten (in denen es uns so gut geht wie nie zuvor) lernen zu schenken, zu spenden und zu teilen?
es grüßt
Frau LE aus G
Eine überaus treffende Antwort auf diesen vernichtenden Kommentar und die distanzierende Haltung der Umweltbank. Der krönende Abschluss ist der Hinweis auf ein grundsätzliches Umdenken in Sachen Geld. Selten so einen sinnvollen Kommentar gelesen.
Ja genau!!!
stimmt absolut. Daher sollten Vereinbarungen zwischen den Partnern über eventuelle finanzielle Ausgleiche
dann gesprochen und vereinbart werden (am besten notariell) wenn alles gut ist. In Krisensituationen ist das
oft nicht mehr (fair) möglich.