Die Gischt, die Möwen, der Wellenschlag. Allein die Vorstellung davon löst bei vielen Menschen schon Glücksgefühle aus. Dazu der Geruch des Salzwassers oder die bunten Farben der Fische in den tropischen Gewässern. Segeln, angeln, surfen, tauchen oder einfach nur auf der Wasseroberfläche dahinschaukeln. Das Meer ist für viele Menschen ein Ort der Sehnsucht, Erholung und Inspiration.

Noch viel wichtiger ist, welche Rolle die Meere für unser Ökosystem spielen. Sie sind nicht nur Ursprung allen Lebens, sondern bis heute seine Grundlage: Die Meere regulieren unser Klima und das Wetter, und fast nebenbei liefern sie die Hälfte des Sauerstoffs, den wir zum Überleben brauchen. Gute Gründe also, die Meere zu hegen und zu pflegen. In diesem Punkt sind wir in den letzten Jahrzehnten viel zu nachlässig gewesen.

Dem Meer geht die Luft aus

Ein akutes Problem ist, dass das Wasser immer saurer wird. Das liegt an einer weiteren elementaren Funktion für unser Klima: Die Meere nehmen Kohlendioxid aus der Luft auf, und zwar in einem erheblichen Maße.

Laut Berechnungen des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung haben die Ozeane in den letzten zweihundert Jahren mehr als ein Viertel des vom Menschen verursachten atmosphärischen Kohlendioxids geschluckt.

Zum Glück, denn ansonsten wäre der Klimawandel schon viel weiter vorangeschritten. Das aufgenommene Kohlendioxid senkt jedoch den pH-Wert des Wassers messbar herab: Seit Beginn der industriellen Revolution ist der Wert um 30 Prozent gefallen. Je saurer die Meere, desto weniger Kohlendioxid können sie zukünftig aufnehmen. Unserem besten Helfer beim Klimaschutz geht damit die Puste aus. Und nicht nur das: Die Versauerung kostet den Meeresbewohnern Energie, die ihnen für Fortpflanzung und Wachstum fehlt. Das bedroht die Artenvielfalt in den Weltmeeren.

Die konstante Erwärmung der Weltmeere befeuert diese Entwicklung zusätzlich: Laut Greenpeace hat sich die Temperatur an der Wasseroberfläche der Meere seit 1955 um 0,6 Grad erhöht. In den Meerestiefen, also in ein bis zwei Kilometern unter der Oberfläche, lag der Wert im Jahr 2019 um 0,075 Grad über dem Durchschnittswert aus den Jahren 1981 bis 2010. Letzteres berechnete ein 14-köpfiges Team rund um den Klimaforscher Cheng Lijing von der chinesischen Akademie der Wissenschaften.

Die absoluten Zahlen wirken zwar gering, sind für die Meere aber enorm. Cheng verdeutlichte das Ausmaß dieser Erwärmung mit einem ungewöhnlichen Vergleich: Die Energie, die in den letzten 25 Jahren als Wärme in die Meere gelangt ist, entspricht der Kraft von 3,6 Milliarden Hiroshima-Atombomben. Und dabei hat die Erwärmung seit 2014 erst richtig Fahrt aufgenommen.

Aufgrund von Überfischung geht für viele Menschen, besonders in Entwicklungsländern, die Wirtschafts-und Ernährungsgrundlage verloren. I Foto: Adobe Stock

Die Erwärmung hat das Meer kalt erwischt

Für die Meeresbewohner bedeutet die Erwärmung in erster Linie weniger Sauerstoff. Fische, Schnecken, Plankton, Schildkröten, Seevögel, sie alle fliehen deswegen in kältere Gefilde. In wärmeren Regionen gehen die Fischbestände entsprechend zurück. Für die Menschen hat die Erwärmung der Meere noch eine andere Konsequenz: Das erwärmte Wasser dehnt sich aus und verstärkt damit den Anstieg des Meeresspiegels, den bereits das Abschmelzen der Polkappen verursacht. Das führt nicht nur vermehrt zu Hochwasser, sondern begünstigt Wetterextreme ganz allgemein: Je wärmer das Meer, umso mehr Oberflächenwasser kann verdunsten. Niederschläge nehmen also zu. Wissenschaftler_innen erwarten aufgrund der Meereserwärmung zudem intensivere Wirbelstürme. Um die Versauerung und die Erwärmung der Ozeane aufzuhalten, gibt es nur eine Lösung: den Kohlendioxidausstoß konsequent senken. Die Meere könnten sich mit der Zeit erholen. Das würde laut Studien des Alfred-Wegener-Instituts jedoch Tausende von Jahre dauern, selbst wenn wir es schaffen könnten, unseren CO2-Ausstoß kurzfristig extrem stark zu reduzieren.

Wie diese Erholung aussehen könnte, ist in manchen Meeresschutzgebieten zu beobachten: Dort, wo die Natur ohne Einwirkung durch den Menschen leben kann, gibt es ein funktionierendes Ökosystem mit Artenvielfalt und gesunden Lebensräumen. In den letzten Jahrzehnten hat die Bedeutung solcher Schutzräume im Meer zugenommen, insbesondere auf Hoher See. Die Hohe See macht zwei Drittel der Weltmeere aus und bedeckt die Hälfte unseres Planeten. Dabei liegt sie fernab nationaler Hoheitsgewässer. Hier geistern Geschöpfe, die kaum wissenschaftlich erforscht sind, durch die dunklen Meerestiefen. Aber hier liegen auch kostbare Rohstoffe.

Die Tiefsee lockt mit kostbaren Bodenschätzen

Bodenschätze wie Erdöl und -gas, ebenso wie Titan und sogar Diamanten werden bereits seit Langem aus dem Meer geholt. Dazu kommen tonnenweise Kies und Sand. Vieles davon erfolgt bislang aus relativ flachen Gewässern. Aber der Bedarf an Rohstoffen steigt weltweit an und so geraten auch komplizierte Abbaugebiete wie die Tiefsee in den Fokus.

Wertvolle Metalle wie Thallium und Nickel stehen momentan weit oben auf der Wunschliste der Industrie. Auf dem Meeresgrund liegen aber noch mehr Schätze: Massivsulfide und Manganknollen beispielsweise. Letztere beinhalten Kupfer, Kobalt und ebenfalls Nickel. Ohne diese Metalle können wir keine Smartphones, Autos, Batterien oder Computer produzieren.

Mehr Schutzgebiete sind möglich

Bislang hat die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) für den Tiefseebergbau keine Erlaubnis erteilt. Trotzdem entwickeln viele Länder bereits Pläne dafür – darunter auch Deutschland. Das Umweltbundesamt erwartet schwere ökologische Folgen für die Meere, sollten die Abbaumaßnahmen beginnen: Durch die Entnahme von Rohstoffen würden Lebensgemeinschaften vollständig entfernt. Sie könnten nicht wieder angesiedelt werden, weil ihnen durch die Knollen beispielsweise das Substrat fehlt. Die Einsatzgeräte würden Sedimentwolken aufwirbeln, die über Hunderte von Kilometern weit getragen werden könnten. Wenn sie sich irgendwann absenken, würden sie Organismen wie Schwämme zudecken. Das sind nur Beispiele. Die tatsächlichen Konsequenzen des Tiefseeabbaus sind in Gänze nicht vorherzusehen. Eine Ausweitung der Meeresschutzgebiete könnte dieses Vorhaben langfristig verhindern. 

Greenpeace setzt sich daher unter dem Motto „thirty by thirty“ dafür ein, dass bis 2030 etwa 30 Prozent der Ozeane unter Schutz gestellt werden.

Gemeinsam mit den Universitäten York und Oxford hat die Umweltschutzorganisation sogar ein konkretes Modell errechnet. Demnach wäre „thirty by thirty“ durchaus umsetzbar. Bis dahin fordern die Umweltschützer_innen zumindest sehr strenge internationale Regeln für den Abbau von Rohstoffen im Ozean.

Mit Quoten und Booten gegen Überfischung

Ein weiteres Meeresgut, auf dass die Menschen einen zu großen Appetit haben, sind die Fische. Laut Welternährungsorganisation (FAO) gelten 33 Prozent der weltweit kommerziell genutzten Fischbestände als überfischt und etwa 60 Prozent als maximal genutzt. Dafür gibt es zwei Gründe: zu viel Fischfang und destruktive Fangmethoden. Verschwinden teils ganze Arten aus ihrem Lebensraum, geraten die Ökosysteme aus der Balance. Aber Artenvielfalt macht die Meere stabil auch gegenüber anderen Problemen wie der Klimaerwärmung und Versauerung. Die Überfischung beschleunigt also andere besorgniserregende Entwicklungen in den Weltmeeren. Für viele Menschen, besonders in den Entwicklungsländern, gehen damit die Wirtschafts- und Ernährungsgrundlage verloren. Der World Wildlife Fund (WWF) fordert, die Fangquoten weltweit zu reduzieren und nicht mehr über den wissenschaftlichen Empfehlungen anzusetzen.

Die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd geht in Zusammenarbeit mit den betroffenen Regierungen gegen illegale Fischerei vor. | Foto: Sea Shepherd

Ein weiterer Treiber der Überfischung ist die illegale, unregulierte und undokumentierte Fischerei (IUU-Fischerei). Schätzungen zufolge gehen jedes Jahr weltweit zwischen 11 und 26 Millionen Tonnen Fisch auf das Konto der IUU-Fischerei. Die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd geht sogar mit einer eigenen Flotte gegen diese Fischkriminalität vor. Dafür arbeitet Sea Shepherd direkt mit Regierungen betroffener Länder zusammen, darunter Gabun, Liberia, São Tomé und Príncipe, Tansania, Namibia, Benin und Gambia. Die UmweltBank hat Sea Shepard im Rahmen der Spendenaktion Banker on Bike in diesem Jahr mit einer Spende in Höhe von 20.000 Euro unterstützt.

Sichtbares Plastik ist nur die Spitze des Eisbergs

Aber wir nehmen nicht nur viel zu viel aus dem Meer heraus – wir kippen auch viel zu viel hinein. Bis in die 1970er-Jahre nutzten wir die Ozeane als Müllhalde für Chemikalien und sogar radioaktive Reste, sodass bis heute fast jedes Lebewesen im Meer mit Chemikalien kontaminiert ist. Immer noch gelangen Dünger und Pestizide von den Feldern über die Flüsse ins Meer. Dadurch entstehen tote Zonen ohne Sauerstoff, wie im Golf von Mexiko, aber auch in der Ostsee.

Hinzu kommt all der Plastikmüll: Der WWF schätzt, dass jedes Jahr zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen landen. Darin ist das Mikroplastik noch gar nicht eingerechnet. Mikroplastik entsteht beim Zerfall größerer Kunststoffteile, beispielsweise beim Waschen von Kunststofftextilien oder beim Abrieb von Autoreifen. Mikroplastik wird aber auch bewusst als Bindemittel in Produkten wie Peelings, Duschgels und Shampoos beigemischt. Im Nordpazifik ist mittlerweile ein gigantisches Müllfeld entstanden, der Pazifische Müllstrudel. Er umspannt eine Fläche, viermal so groß wie die Bundesrepublik.

Forscher gehen jedoch davon aus, dass nur ein Prozent des Plastikmülls im Meer überhaupt sichtbar ist.

Fast alles ist in den Untiefen des Meeres verborgen, allerdings nur für den Menschen. Die Meeresbewohner sehen das Plastik durchaus und verwechseln es oft mit Nahrung. Ihre Mägen sind dann zwar gefüllt, sie verhungern aber trotzdem, weil ihnen die Nährstoffe fehlen. Auch Mikroplastik kann von Meeresorganismen aufgenommen werden. In vielen Tieren wurden die kleinen Kunststoffpartikel bereits gefunden.

Die Müllsammelboote von everwave können bis zu 20 Tonnen Müll pro Tag aus Gewässern fischen – mit Unterstützung der UmweltBank. | Foto: everwave

Saubere Flüsse für saubere Meere

Das Aachener Start-up everwave will verhindern, dass Plastikmüll weiterhin die Meere belastet. Die Strategie: den Müll bereits in den Flüssen abzufangen. Dafür hat das Team von everwave verschiedene technische Lösungen entwickelt. Herzstück von everwave ist eine festverankerte Plattform, die in den Flüssen völlig autark Müll einsammelt. Die zweite Säule sind mobile Müllsammelboote. Sie können bis zu 20 Tonnen Müll pro Tag aus einem Gewässer fischen. Mittels Drohnen, Sensoren und Kameras sammelt everwave zudem wichtige Daten, um die Erkennung des Plastiks durch künstliche Intelligenz weiter zu optimieren. Auch everwave war im Jahr 2019 eine der Organisationen, an die die UmweltBank im Rahmen von Banker on Bike gespendet hat.

Die Menschheit braucht dringend gesunde Meere, weil sie Sauerstoff abgeben und CO2 aufnehmen. Alles, was hilft, den CO2-Abdruck zu verringern, hilft auch den Meeren. Als Verbraucher_innen können wir unseren Plastikverbrauch verringern, Recyclingsysteme bestmöglich nutzen und Mikroplastik meiden. Laut Öko-Test gibt es nicht mehr viele Fischarten, die man guten Gewissens essen kann. Der heimische Karpfen gilt jedoch noch als unproblematisch, ebenso Wildlachs aus Alaska und Sprotten aus der Nordsee. Bei anderen Arten muss man genauer hinschauen: Für Miesmuscheln aus Aquakulturen geben Meersschützer_innen grünes Licht, ebenso für Küstenfische wie Steinbutt oder Scholle, sofern sie aus der Ostsee stammen und mit Stellnetzen gefangen wurden. Strenge Öko-Siegel wie Naturland und Bioland bieten eine gute Orientierung.
Vieles läuft schief in den Meeren. Aber vieles ließe sich verbessern und sogar verhindern, wenn wir alle – Politik, Wissenschaft, Verbraucher_innen, Meereschützer_innen und Fischer_innen – an einem Tau ziehen.