Dafür sprechen die Zahlen, mit 96 Sonnenstunden mehr im Jahr als noch vor fünf Jahrzehnten. 2018 wurde hierzulande Photovoltaik mit einer Leistung von 2,81 Gigawatt installiert: Das ist ein Plus von 30 Prozent im Vergleich mit den Jahren zuvor. Die Windbranche hingegen strauchelt. Im ersten Halbjahr 2019 wurden 82 Prozent weniger Windräder gebaut als im Vorjahr. Das ist der schlechteste Wert seit 2000, als das Erneuerbare-Energien-Gesetz eingeführt wurde.
Dabei sah es lange Zeit so aus, als würde die Wind- der Solarbranche enteilen. Für viele Solarunternehmen folgte auf einen staatlich geförderten Boom um die Jahrtausendwende die Ernüchterung. Zu teuer sei die Technologie, hieß es, zu ineffizient. Zu instabil, um die Energieversorgung zu sichern. Die Sonne scheine viel häufiger in der Wüste, da sollten die Solarparks hin (dabei ist der Wirkungsgrad der Module bei Hitze geringer). Die billige Konkurrenz aus China machte den heimischen Solarzellen-Produzenten zu schaffen. Die Bundesregierung schränkte gleichzeitig die Förderung ein. Zahlreiche Unternehmen gingen in die Insolvenz.
Die Sonnenenergie ist das Öl dieses Jahrtausends.
Doch die Branche ging gestärkt aus der Krise hervor. Zwar kommen die Solarmodule heute meist aus Asien, aber viele deutsche Zulieferer und Projektierer haben sich auf dem Weltmarkt etabliert. Die erneuerbaren Energien machen inzwischen fast die Hälfte der deutschen Stromversorgung aus. Das liegt zum einen am starken Ausbau der Windenergie in den letzten zwei Jahrzehnten, während Kohle- und Atomausstieg zu einem Rückgang der traditionellen Stromerzeugung führen. Nun holt auch die Solarenergie kräftig auf. „Die Sonnenenergie ist das Öl dieses Jahrtausends“, sagt Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbands der Solarwirtschaft (BSW).
Die Akzeptanz der Solarenergie identifiziert Andreas Bett, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solarenergie, als entscheidenden Faktor für deren aktuellen Aufschwung: „Es gibt keine andere Art der Energiegewinnung, die so beliebt ist.“ Umfragen belegen diese Vermutung (siehe Grafik). Solar lässt nicht nur fossile Energieträger wie Kohle weit hinter sich, auch Biogasanlagen und die Windkraft sind deutlich unbeliebter. Kaum wird irgendwo Fläche für Windräder ausgewiesen, formiert sich Protest.
Anders sieht es bei einem Solarpark aus. Der Widerstand ist gering. Kein Wunder: Die Photovoltaikanlage erzeugt den Strom geräuschlos, von ihr geht auch keine Gefahr für Vögel aus. Zudem wird eine Solaranlage oft auf einem bereits bestehenden Gebäude installiert. Das heißt, selbst an Wintertagen mit sehr tiefstehender Sonne erreicht ihr Schatten kaum das nächstgelegene Wohnhaus. Die weitere Verbreitung steigert die Akzeptanz noch. Wenn der Nachbar so eine Anlage hat, denken viele, dann will ich das auch.
Dafür spricht nicht nur das Öko-Gewissen, sondern auch der finanzielle Anreiz. Eine Photovoltaikanlage rechnet sich schnell. Sechs Kilowatt Leistung reichen für eine vierköpfige Familie mit Elektroauto. Und dafür braucht man nur etwa 40 Quadratmeter Dachfläche. Die Module sind günstig, die Installation dauert nur ein bis zwei Tage, wenn alle lokalen Bauvorschriften eingehalten werden. Über Strom-Sharing-Modelle, wie sie etwa die Firma Sonnen anbietet, wird überproduzierter Strom auf einem virtuellen Konto gutgeschrieben, von dem man sich bedienen kann, wenn die Sonne vor Ort gerade nicht scheint.
Die Einspeisevergütung, also die staatliche Förderung für jede ins Netz gespeiste Kilowattstunde Strom, ist zwar deutlich gesunken. 2004 bekam ein Solaranlagen-Besitzer noch 57,4 Cent pro Kilowattstunde, heute sind es nur noch 10,18 Cent. Doch noch immer lohnt sich die Anschaffung. 1,6 Millionen Photovoltaikanlagen gibt es in Deutschland. Eine Million davon befinden sich auf den Dächern von Privathaushalten. In den vergangenen Jahren haben sich auch die Speichermöglichkeiten für Strom verbessert. Zu fast jeder Solaranlage kommt eine Batterie in den Keller, die überschüssigen Strom speichert, eventuelle Versorgungslücken ausgleicht und den Strombedarf bei Nacht deckt.
Selbst die Landwirte, die größten Konkurrenten der Solarindustrie, wenn es um die Flächennutzung geht, steigen ein. Am Bodensee realisierte die Universität Hohenheim zusammen mit dem Fraunhofer-Institut zuletzt ein Projekt mit einer Gruppe von Biobauern. Über ihren Feldern wurden Solarmodule auf Stelzen angebracht, um die Bewirtschaftung nicht zu behindern. Die Ergebnisse nach zwei Jahren überraschen: Während die Kartoffelernte in einem Jahr zurückging, fiel sie im anderen umso größer aus. Denn in einem Hitzesommer wie dem vergangenen speichert der schattige Boden mehr Feuchtigkeit, als wenn er der prallen Sonne ausgesetzt wäre, und bringt eine größere Ernte.
Und was, wenn eine Solarzelle am Ende ihres Lebenszyklus angekommen ist? „Solarmodule sind zu 100 Prozent recycelbar. Sie beinhalten keine giftigen Stoffe.“ sagt Andreas Bett vom Fraunhofer-Institut. Allerdings seien die Kosten noch sehr hoch. Das Problem ließe sich lösen, wenn es größere Mengen verbrauchter Zellen gebe, die sich recyceln lassen. Das wird bald der Fall sein, wenn die ersten Solarparks ihr Ablaufdatum erreichen und modernisiert werden müssen.
Sonnenenergie spart Kohlendioxid, sie macht keinen Lärm und erfordert keine Stromautobahnen.
Dass die Sonnenenergie aus ihrer Nische herausgetreten ist, hat inzwischen auch die Politik erkannt. Im Klimaschutzgesetz, das die Bundesregierung Anfang Oktober 2019 beschloss, wurde das Ausbauziel für Solarenergie von den derzeit installierten 49 Giga-watt auf 98 Gigawatt im Jahr 2030 verdoppelt. Für die Windkraft an Land hingegen werden statt der erwarteten 80 Gigawatt nur noch 67 bis 71 Gigawatt angepeilt.
Was früher zu teuer und zu ineffizient war, gilt heute als günstig und verlässlich. Sonnenenergie spart Kohlendioxid, sie macht keinen Lärm und erfordert keine Stromautobahnen. Es sieht ganz danach aus, dass der Aufschwung diesmal länger anhalten wird.
Quelle: Erstveröffentlichung Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 27.10.2019. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv
Die UmweltBank hat seit 1997 mehr als 23.500 Projekte finanziert – vom Holzhaus bis zum Solarpark. Gemeinsam wollen wir mit vier Bausteinen die solare Energiewende vorantreiben.
Schön, wenn es ein Comeback gäbe. Erstmal werden wohl quadratkilometerweise bestens funktionierende PV-Altanlagen verschrottet, wenn deren EEG-Förderung nach 20 Jahren ausläuft. Das ist sinnlose Ressourcenverschwendung vom Feinsten! Politisch scheint das so gewünscht zu sein, die Lobbyarbeit der großen EVUs läßt grüßen!
sind langjährige Umweltbank Großkunden im PV Umfeld (Fa. solarpower Nbg.)
guter Artikel, allerdings wäre der Bericht über 2019/2020 deutlich aktueller 🙂
VG W. Oppel