Wer ins westmecklenburgische Schönberg in der Nähe von Lübeck fährt, passiert unterwegs vor allem Felder, Wälder und Seen. Ab und zu ist in der Ferne die Ostsee zu sehen. Berge sucht man hier vergebens, sodass der Wind ungebrochen übers Land bläst. Schon seit vielen Jahren prägen deshalb Windräder das Landschaftsbild in der Region.
Frischer Wind für Schönberg
Optimale Bedingungen für Windkraftanlagen bedeuten allerdings nicht immer freie Fahrt für deren Bau. Im Jahr 2019 hat der Ausbau der Windenergie den niedrigsten Stand seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 erreicht – und das, obwohl Windenergie im selben Jahr bei der Nettostromerzeugung erstmals die Braunkohle als Platzhirsch im deutschen Strommix ablöste. Wind war 2019 hierzulande der stärkste Energieträger. Als Hauptgründe für den stockenden Ausbau gelten lange Genehmigungsverfahren und zu wenig ausgewiesene Flächen. Auch teils heftige Proteste von Anwohnern und Naturschützern vor Ort gegen neue Windparks bremsen den Ausbau.
In Schönberg wurden bereits Ende der 1990er-Jahre erste Windkraftanlagen errichtet – für die Anwohner sind Windräder also ein vertrauter Anblick. Besagte Anlagen waren allerdings in die Jahre gekommen und brachten längst nicht so viel Leistung wie neuere Generationen. Das Münchener Unternehmen BayWa r.e. Wind GmbH erkannte das Potenzial des Standorts. Es setzte sich für die Genehmigung eines Repowerings, also den Ersatz der alten Anlage, ein, um mehr Strom zu gewinnen – mit Erfolg.
Beteiligung von Anwohnern am Bürgerwindpark Schönberg
Die BayWa r.e. Wind blickt auf eine langjährige Erfahrung bei der Modernisierung und Optimierung von Windkraftanlagen zurück. Hier in Schönberg wartete allerdings eine Neuheit auf das Unternehmen: 2016 war das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern in Kraft getreten. Es verpflichtet Vorhabenträger von Windenergieprojekten, Bürgern und Kommunen im näheren Umkreis eine finanzielle Beteiligungsmöglichkeit anzubieten. Das Gesetz soll die Akzeptanz der Anwohner für derartige Projekte erhöhen. Aus diesem Grund holte die BayWa r.e. Wind schon frühzeitig die Genossenschaft NaturEnergie Region Hannover als Kooperationspartner sowie zukünftigen Betreiber ins Boot und band sie in die Projektentwicklung eines Bürgerwindparks mit ein.
Oberstes Ziel […] ist die Beteiligung der Bürger und damit auch der zukünftigen Stromverbraucher am Windpark.
Die NaturEnergie Hannover beteiligt sich mit ihren Tochtergesellschaften seit 2013 aktiv an der Entwicklung und dem Aufbau von Windenergieprojekten. „Unsere Investitionen in Bürgerwindanlagen haben wir in einzelne standortangepasste Bürgerwindparkgesellschaften strukturiert“, erläutert Marcus Biermann. Er ist Vorstand der NaturEnergie Hannover und Geschäftsführer der Bürgerwindpark Schönberg GmbH & Co. KG, die mit dem Kauf der schlüsselfertigen Anlage im November 2019 die Betriebsverantwortung übernahm. Von Haus aus Landwirt und Unternehmer beschäftigt er sich seit über 20 Jahren mit der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Er betont: „Oberstes Ziel für uns als Genossenschaft ist die Beteiligung der Bürger und damit auch der zukünftigen Stromverbraucher am Windpark.“
Ab 500 Euro Gesellschafter am Bürgerwindpark werden
Der Beteiligungsprozess für den Bürgerwindpark Schönberg wird gerade vorbereitet und soll im zweiten Halbjahr 2020 starten. Interessenten können sich ab 500 Euro pro Anteil direkt als Gesellschafter beteiligen. Schon jetzt gibt es eine hohe Nachfrage aus dem genossenschaftlichen Umfeld. Und vor Ort? Biermann zeigt sich optimistisch: „Die Anwohner hatten ja auch schon vorher einen Windpark vor der Haustür, waren aber nicht am Ertrag beteiligt. Deshalb sehen wir das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz als hilfreichen Baustein, um die Akzeptanz des Projekts in der Umgebung weiter zu steigern. Wir sind zuversichtlich, dass die Beteiligungsmöglichkeit gut angenommen wird.“
Dass der Bürgerwindpark in Schönberg wirtschaftlich und energetisch ein Erfolg ist, zeigt sich schon jetzt. Insgesamt dauerten Planung, Entwicklung und Fertigstellung rund fünf Jahre. Der Startschuss für den Bau fiel Ende 2018. Im Laufe eines Jahres ersetzte die BayWa r.e. Wind sieben Bestandsanlagen durch acht leistungsstärkere Anlagen vom Typ Enercon E-92 mit einer Leistung von je 2,35 Megawatt (MW). Seit Ende 2019 sind die Anlagen des Windparks am Netz und speisen aktiv Strom in das regionale Stromnetz ein. Mit einer Nabenhöhe von 138,4 Meter sind die neuen Windräder höher und leiser als die alten – vor allem aber sind sie leistungsstärker. Pro Jahr werden hier heute etwa 37,6 Millionen Kilowattstunden (kWh) sauberer Strom erzeugt. Damit können mehr als 7.500 Haushalte versorgt und jährlich etwa 26.000 Tonnen CO2 eingespart werden.
Durch Crowdinvesting vom wirtschaftlichen Ertrag des Windparks profitieren
Bei der Finanzierung des Bürgerwindparks Schönberg ist der Betreiber breit aufgestellt: Die UmweltBank begleitet das Projekt als Finanzierungspartnerin mit rund 27,5 Millionen Euro. „Solche Bürgerprojekte sind in unseren Augen enorm wichtig für die Akzeptanz erneuerbarer Energien“, sagt Nerajo Negash von der UmweltBank. „Deswegen freuen wir uns sehr, dass der erste Windpark nach dem Bürgerbeteiligungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern mit unserer Unterstützung entstehen konnte.“ Weitere 1,9 Millionen Euro werden durch Eigenkapital und 2 Millionen Euro durch zusätzliche Nachrangdarlehen finanziert. Eine weitere Besonderheit des Bürgerwindparks Schönberg: Ein Investitionsanteil in Höhe von 1 Million Euro ist zudem für ein Crowdinvesting vorgesehen. Marcus Biermann erläutert: „Mit diesem Finanzierungsbaustein möchten wir möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, bereits mit relativ kleinen Geldbeträgen ab 250 Euro vom wirtschaftlichen Ertrag des Windparks zu profitieren.“
Seit Veröffentlichung des Artikels wurde der Windpark Schönberg um Module erweitert, sodass nun noch mehr grüner Strom produziert wird.
Zur UmweltBank:
Die UmweltBank hat seit 1997 bereits über 24.300 Projekte vom Holzhaus bis zum Windpark finanziert. Erfahren Sie hier mehr zu unseren Projekten.
Das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz ist viele zu spät gekommen. Pegel hat damit so lange gewartet, bis MV schon zugespargelt war.
Grundsätzlich natürlich in Ordnung , aber: Zwei Punkte sind meines Erachtens zwingend zu bedenken.
1.) Es muss offen und ehrlich auch über die ökologischen Nachteile und Probleme von Windrädern diskutiert und ernsthaft nach Abhilfe für negative Auswirkungen wie z. B. Gefahr für Vögel, gesundheitliche Risiken durch windradspezifische Geräusche u. dergl. gesucht werden und
2.) Es muss sich – und das klingt im Artikel glücklicherweise ja auch so an – ausschließlich auf die regionale bürgernahe Energieversorgung beschränken. Ein „Off-Shore-Projekt“ wie der unsägliche Plan, per Windkraft in der Nordsee erzeugte Energie mit einem unglaublichen Aufwand nach Bayern zu transportieren, ist absurd, kontraproduktiv und das Gegenteil von zukunftssicherndem, ökologischen Verhalten. Aber: Wieso ist dann die BayWa mit im Boot?
Hallo Herr Berg,
vielen Dank für Ihren Kommentar und das damit ausgedrückte Interesse an unserem Artikel. Zu Ihren Fragen: 1) Wir sehen die Problematik von Aufbau nachhaltiger Energiegewinnung durch Erneuerbare Energien und Naturschutz. Es müssen verträgliche Lösungen gefunden werden, welche aber nicht gleichzusetzen sein können mit einem gänzlichen Verzicht auf Erneuerbare Energien wie die Windkraft. 2) Die BayWa r.e. Wind war in Funktion des Generalübernehmers innerhalb des Projekts tätig. Dies bedeutet, dass sie Errichter des schlüsselfertigen Projektes war. Der Betrieb und das Eigentum liegt wie im Artikel beschrieben bei der Bürgerwindpark Schönberg GmbH & Co. KG bzw. der NaturEnergie Region Hannover Verwaltungs-GmbH.“
Auch Windräder sind drindend erforderlich für sauberen Strom zur Herstellung von Wasserstoff & Methan.
Kann ich mich an o.g. Windpark beteiligen?