Alle Jahre wieder: Gerade zum Jahreswechsel schmieden viele Deutsche jede Menge Neujahrsvorsätze. Ab jetzt wollen sie alles besser machen. Sie setzen sich Ziele, auch in Sachen Nachhaltigkeit. Konsumenten wollen öfter auf Fleisch verzichten, weniger Strom verbrauchen oder regional einkaufen. Doch nach den ersten Wochen bröckeln die Vorsätze und spätestens im März sind viele vergessen. Bezeichnet wird dieses Phänomen als Attitude-Behavior-Gap oder auch Intention-Behavior-Gap. Auf Deutsch bedeutet das so viel wie Intentions-Verhaltens-Lücke.
Was ist die Attitude-Behavior-Gap?
Die Attitude-Behavior-Gap beschreibt eine Diskrepanz zwischen dem Ziel, sein eigenes Handeln zu ändern, und dem tatsächlichen Konsumverhalten, dem Behavior. Heißt: Das, was wir tun wollen, passt nicht mit dem zusammen, was wir wirklich tun.
Die Lücke umgehen
Woran liegt es, dass unsere Nachhaltigkeitsvorsätze getreu der Attitude-Behavior-Gap im Alltag so schnell scheitern? Und was können wir machen, um diese Lücke zu reduzieren? Der Motivationspsychologe Peter Gollwitzer klärt auf und gibt Tipps, wie sich nachhaltige Vorsätze umsetzen lassen.
Bank & Umwelt: Herr Gollwitzer, Sie beschäftigen sich unter anderem mit Zielen. Warum scheitern Vorsätze im Alltag so häufig?
Peter Gollwitzer: Oft fehlt ein Plan. Vorsätze sind meist nur bloße Ziele und diese beschreiben nur, was man erreichen möchte, beispielsweise, dass ich nachhaltiger werden will. Es fehlt ein Plan der spezifiziert, wann, wo und wie ich dieses Ziel erreichen will.
Sind Neujahrsvorsätze besonders gefährdet?
Ja, sind sie. An Silvester haben viele Menschen Zeit, um zurück und nach vorne zu blicken. Die Ziele, die sie sich dann setzen, sind besonders weitreichend und anspruchsvoll und daher nicht einfach zu erreichen. Außerdem haben sie auf der Neujahrsparty eine große Zuhörerschaft und können mit diesen Zielen angeben. Und dort liegt ein weiteres Problem: Dabei haben sie das Gefühl, schon in Richtung der Zielrealisierung unterwegs zu sein – sind sie aber eigentlich nicht.
Wenn Ziele nicht reichen: Wie schaffen die Menschen es, ihre nachhaltigen Vorsätze umzusetzen und die Attitude-Behavior-Gap zu reduzieren?
Wenn ich ein Ziel habe, muss ich mir überlegen, wie ich es erreichen will: wann, wo und wie. Und das kann ich am besten durch Wenn-Dann-Pläne. Ein Beispiel: Ich habe mir vorgenommen, das Licht öfter auszuschalten. Mein Plan könnte lauten: Wenn ich abends mein Büro verlasse, dann achte ich darauf, dass ich alles ausschalte. Oder ich will weniger Fleisch essen: Wenn ich am Gemüseladen vorbeikomme, dann gehe ich rein und kaufe mir einen Salat.
Warum sind solche Pläne so effektiv?
Die Forschung hat gezeigt, dass diese Wenn-Dann-Pläne einen stärkeren Effekt aufs Handeln haben als bloße Ziele. Ich bereite mich damit prospektiv auf kritische Situationen vor und weiß dann genau, wie ich handeln werde, wenn diese eintreten.
Deshalb sind Umweltbewegungen wichtig, weil sie den Menschen eine positive Einstellung zur Nachhaltigkeit geben.
Ist es besser, gemeinsam mit anderen Menschen Vorsätze anzugehen?
Da gehen die Meinungen auseinander. Die Gefahr ist hier, dass man sich mental am Ziel angekommen fühlt, wenn man es mit anderen teilt. Das kann bei Zielen vorkommen, die einem am Herzen liegen. Wenn einer sagt, er möchte eine umweltbewusste Person sein und die Nachbarschaft bewundert ihn dafür, kann er das Gefühl haben, nichts mehr machen zu müssen.
Wer es jedoch öffentlich mit Personen macht, die Kontrolle oder Macht über einen haben, kann mit Erfolgen rechnen. Schließlich passt jemand auf. Das können Freunde oder Arbeitskollegen sein.
Gibt es weitere Methoden, die helfen, die Attitude-Behavior-Gap zu umgehen?
Eine andere Methode, die sehr gut funktioniert, ist Self-Monitoring. Das heißt, dass ich regelmäßig, einmal am Tag oder am Ende der Woche, schaue, was ich erreicht habe. Wo habe ich überall Energie gespart? Dadurch sehe ich Diskrepanzen zwischen dem, was ich mir vorgenommen und dem, was ich erreicht habe. Ich habe womöglich ein schlechtes Gefühl, bin unzufrieden mit mir. Das kann helfen, dem Ziel näher zu kommen. Aber hier ist die Gefahr da, dass man sich sagt: Jetzt ist es eh egal.
Was ist wichtig, damit ich bei meinen nachhaltigen Vorsätzen nicht aufgebe?
Es muss eine Verbindlichkeit entstehen. Wenn ich ein Ziel nicht attraktiv finde oder es mir jemand aufdrückt, dann ist es verständlich, dass ich nicht danach strebe. Deshalb sind Umweltbewegungen wichtig, weil sie den Menschen eine positive Einstellung zur Nachhaltigkeit geben. Auch hilft es nicht, wenn ich meine Nachhaltigkeitsziele nur ein paar Wochen umsetze. Solche Ziele müssen aufrechterhalten werden und dabei können Wenn-Dann-Pläne helfen.
Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Gollwitzer.
Wer nun auf der Suche nach dem passenden Vorsatz ist, findet in unserem Beitrag „Nachhaltige Vorsätze: Fünf Ideen, die Gutes für die Umwelt tun“ Inspirationen – wir wünschen viel Erfolg!
Zur Person:
Peter Gollwitzer studierte Bildungsökonomie und Psychologie in Regensburg und Bochum. Er promovierte an der University of Texas in Austin und habilitierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 1993 ist er Lehrstuhlinhaber an der Universität Konstanz und seit 1999 Professor an der New York University. Peter Gollwitzer wurde 2017 zum Mitglied der Leopoldina gewählt. Der Fokus seiner Forschung liegt darin, die Mechanismen zu entdecken, die positive Handlungen beeinflussen.